Dienstag, 15. Dezember 2020

Maren Gottschalk - Frida

 



Verlag: Goldmann
Seiten: 416
Erschienen: 31. August 2020
Preis: 22 Euro (Ebook: 17.99 Euro)



Es ist das Jahr 1938, als in New York eine Künstlerin ankommt, deren Name weltberühmt werden sollte. 
In Frida Kahlo tobt ein Gewittersturm, ihre Ehe mit dem berühmten Künstler Diego Rivera scheint am Tiefpunkt angekommen zu sein, doch in New York soll ihre erste Einzelausstellung eröffnet werden und schon kurz nach ihrer Ankunft umringen sie Freunde und Bewunderer ihrer Kunst. In New York trifft Frida auch den Fotografen Nick Muray wieder, für den sie, unabhängig ihrer Ehe mit Diego, schon länger tiefe Gefühle hegte. Die beiden beginnen eine stürmische Affäre, die Frida auch auf ihrem weiteren Weg über Paris bis in ihre Heimat, Mexiko, begleitet. 
Über alles, was sich ihr dabei in den Weg stellt, scheint sie hinwegzusteigen und beweist sich immer wieder als schillernde, beeindruckende und charismatische Persönlichkeit und vor allem als unglaublich talentierte und leidenschaftliche Künstlerin. 

Frida Kahlo war eine beeindruckende und leidenschaftliche Künstlerin, um die sich viele Mythen rankten. Das lag vor allem an ihrer intensiven und unwiderstehlichen Ausstrahlung, ihrer Art sich zu kleiden und auch sich gesellschaftlich zu präsentieren, da sie sich nicht nur im Äußerlichen sehr oft von den Frauen in ihrem unmittelbaren Umfeld abhob und unterschied. Maren Gottschalk widmet sich in ihrem Roman "Frida" einer wichtigen Zeitspanne im Leben der begnadeten Künstlerin Ende der Dreißigerjahre, in denen Fridas Reise von New York nach Paris, dann wieder zurück nach New York und schließlich Richtung Heimat führte. Dabei vermischt die Autorin Realität und Fiktion, und schenkt vor allem dem Schauplatz New York besondere Aufmerksamkeit. In der Stadt, die niemals schläft, legt sich der Grundstein für Frida Kahlos weltweitem Erfolg als Malerin in ihrer ersten Einzelausstellung, in New York beginnt Gottschalks Roman und die Stadt ist zudem Schauplatz der großen Liebe zwischen Frida und dem Fotografen Nick Muray. Grandios erzählt sind in "Frida" zudem die Rückblicke in die meist schmerzhafte Vergangenheit der Hauptfigur, die immer wieder zwischen der Haupterzählung eingestreut werden. Frida Kahlos tragischer Unfall im jugendlichen Alter wird thematisiert, der sie zu einem Leben voller Schmerzen verdammte, die Diagnose der Kinderlähmung, die sie als Kind bekam und der schmerzhafte Verrat der eigenen Schwester und ihres Ehemannes Diego, als sich herausstellt, dass die beiden eine Affäre hatten. Aber auch in die Anfänge ihrer unverwechselbaren Malerei erhalten die Leserinnen und Leser einen Einblick. So entsteht eine fast schon intime Beziehung zur Hauptfigur, die nicht nur durch ihren phänomenalen Charakter imponiert, sondern eine so große Stärke demonstriert, die sich durch die von Maren Gottschalk immer wieder beschriebene Einblicke in Fridas Gefühlswelt noch einmal verdeutlicht. Es mag sein, dass gerade diese Passagen der Fiktion des Romans angehören, doch, wenn man Fridas Wesen als Ganzes kennen lernt, dürften diese nicht sehr weit von der Realität entfernt sein. 
Natürlich wird in "Frida" auch der Kunst der Malerin ausreichend gewürdigt. Was ich in dem Zusammenhang besonders schön fand, wie immer wieder die persönliche Beziehung von Frida Kahlo zu ihren Bildern herausgestellt wurde. Daran erkennt man auch zuletzt ihre wunderbarste Eigenschaft: ihre einzigartige, intensive und leidenschaftliche Art zu lieben. Vor allem ihre Kunst, aber auch die Männer in ihrem Leben, was man besonders schön in den immer wieder abgedruckten Liebesbriefen Frida Kahlos an ihren Ehemann, an Nick und an ihrer Schwester erkennt. Nach der Lektüre von "Frida" recherchierte ich aus diesem Grund, ob es vielleicht sogar eine eigene Sammlung der Liebesbriefe Frida Kahlos gibt und glücklicherweise wurde ich fündig. 
Maren Gottschalk ist ein wunderbar erzähltes Porträt einer einzigartigen Künstlerin gelungen. Besonders schön fand ich abschließend die Erklärung der Autorin bezüglich ihrer Vorgehensweise der Vermischung von Realität und Fiktion: genau das hat Frida Kahlo in ihren Bildern auch gemacht. 
Unbedingt lesen! 

Montag, 14. Dezember 2020

John Niven - Die F*ck-it-Liste





Verlag: Heyne Hardcore
Seiten: 320
Erschienen: 12. Oktober 2020
Preis: 22 Euro (Ebook: 15.99 Euro)







Die USA in der nahen Zukunft. Nachdem Donald Trump zwei Amtszeiten durchregiert hat, wurde mit einer überwältigenden Mehrheit seine Tochter Ivanka Trump ins Präsidentenamt gewählt. Die einst Vereinigten Staaten von Amerika sind tief gespalten und mit einer Demokratie hat dieses Land schon lange nichts mehr zu tun. In dieser bedrückenden Atmosphäre erhält der ehemalige Journalist und Chefredakteur Frank Brill eine niederschmetternde Diagnose: Krebs im Endstadium. Doch anstatt in Selbstmitleid und Trauer zu vergehen und den Schock der Diagnose zu verarbeiten, sieht Frank in dieser Nachricht eine Chance. Die Chance einen schon lang gefassten Plan in die Tat umzusetzen...und eine Liste abzuarbeiten...

Noch vor kurzer Zeit schien das fiktive Ausgangsszenario von "Die F*ck-it-Liste", aus der Feder von John Niven durchaus realistisch. Wer weiß schließlich, wie es mit den USA weiter gegangen wäre, wenn es Donald Trump tatsächlich zu einer zweiten Amtszeit geschafft hätte? Da wir uns darüber im wahren Leben nun keine Sorgen mehr machen brauchen, fällt es umso leichter in John Nivens Zeichnung eines fast schon dystopischen Amerikas abzutauchen, in dem er genau das Wirklichkeit werden lässt. Die Amerikaner werden dazu aufgerufen sich jederzeit und überall zu bewaffnen, Abtreibungen sind verboten und werden unter Strafe gestellt, fast jeden Tag scheinen Meldungen von neuen Amokläufen aufzutauchen, Einwanderer, die in Arbeitslagern eingesperrt werden und die Sterblichkeitsrate schießt in die Höhe, weil es immer mehr verzweifelte Frauen gibt, bei denen illegale Abtreibungen vorgenommen werden und die währenddessen oder kurz danach verbluten. In Zusammenhang mit John Niven's "Die F*ck-it-Liste" taucht immer wieder der Begriff 'Satire' auf, doch satirisch ist eigentlich nur die Verwandlung der Hauptfigur vom kleinstädtischen Bürger, der sich noch nie etwas hat zu schulden kommen lassen zum Wild-West-Revolvermann, der genau diese Verwandlung überhaupt vollbringen konnte, weil es sowohl in den von John Niven kreierten Vereinigten Staaten von Amerika, als auch in den realen USA so einfach ist an Waffen und Munition zu kommen, wie noch einmal eben nach Feierabend zwei Liter Milch kaufen zu gehen. Wenn man dieses Buch liest, erscheint es einem einfach: die Handlung ist schlüssig, es ist einfach zu lesen und vielleicht zwischendurch sogar etwas plump, doch es steht so viel zwischen John Nivens Zeilen. Sein Buch ist eine gewaltige Anklage, ein Fingerzeig, ein Spiegel der Gesellschaft, der endlos erscheint, ein so unglaublich eindringlicher Appell an ein Land, das sich gerne als 'freistes Land der Welt' bezeichnet und das sich auf einen gefährlichen Weg begeben hat. 
Und das zu sagen, was John Niven zu sagen hat, das macht er auf großartige Weise, in dem er immer nur ein Stück der Geschichte von Frank Brill, seiner Hauptfigur, vor seinen Leserinnen und Lesern ausbreitet. Immer nur ein kleines bisschen, das einem allerdings umso heftiger den Atem stocken lässt. Das macht er so großartig, weil er immer wieder Wendungen in die Geschichte einbaut, die dann doch fast wieder ein wenig satirisch anmuten und sogar das ein oder andere Mal zum Schmunzeln verleiten. Und das macht er so großartig, weil am Ende seiner Geschichte der absolute Höhepunkt wartet. Der Beweis, das sich bloß eine scheinbar harmlose Entscheidung in etwas nicht mehr Kontrollierbares verwandeln kann. Und wo das große Problem in der Politik und auch der Demokratie liegt. 
Lasst euch also nicht von einer scheinbar vorhersehbaren Handlung täuschen. John Niven's Geschichte kann sehr viel mehr, als sie auf dem ersten Blick zu zeigen scheint. Und sie ist verdammt wichtig.