Mittwoch, 13. November 2019
Sarah Perry- Melmoth
Verlag: Eichborn
Seiten: 337
Erschienen: 30. September 2019
Preis: 24 Euro (Ebook: 14.99 Euro)
Helen lebt ein unscheinbares Leben in der tschechischen Hauptstadt Prag. Alles an ihr scheint absolut gewöhnlich, fast scheint es, als würde Helen sich unsichtbar machen wollen. Als würde sie ihr Leben so weit bedeutungslos machen, dass es nicht mehr auffiel, dass sie es trotz allem weiterlebte. Trotz der unvorstellbaren Schuld, die Helen auf sich geladen hat.
Doch alles ändert sich, als ihr ein geheimnisvolles Manuskript in die Hände fällt. Darin ist von einer mysteriösen Gestalt namens 'Melmoth' die Rede, ein Schreckensmärchen Kindern erzählt, damit sie brav bleiben, aber doch auch immer wieder Gegenstand alter historischer Dokumente. Melmoth, die dazu verdammt wurde ewig auf Erden zu wandeln mit blutigen Füßen und die für immer in Einsamkeit vergeht, es sei denn, du ergreifst ihre Hand, denn Melmoth zeigt sich nur den wahrhaft Verzweifelten, die voller Trauer oder voller Sünde sind.
Sie beobachtet dich schon lange und wartet nur auf den richtigen Augenblick...
Schon lange vor der Veröffentlichung von "Melmoth", geschrieben von Sarah Perry, habe ich mich auf das Buch gefreut, da der Inhalt eine mysteriöse und vielschichtige Spukgeschichte versprach. Nach der Lektüre von "Melmoth" kann ich bestätigen, dass es jede Menge Grusel bereit hält, doch Sarah Perry geht sogar ein bisschen weiter. Sie erzählt die Geschichte einer Spukgestalt, die aber gleichzeitig auch eine moralische Leitfigur darstellt. Denn verfolgt von Melmoth werden nur diejenigen, die große Trauer empfinden und einen Ausweg suchen oder große Schuld auf sich geladen haben und nicht mehr mit dieser leben können. Aus diesem Grund wird 'Melmoth' auch die Zeugin genannt, denn sie gibt Zeugnis über das Leben der Verfolgten ab und konfrontiert sie mit ihrer Trauer und ihrer Schuld. Natürlich hat 'Melmoth' nicht nur die Eigenschaften eines moralischen Kompasses, sondern auch die klassischen Züge der obligatorischen Gruselfigur mit einem, im Wind wehenden, gruseligen Gewand, auch wenn eigentlich kein Wind weht, und der Eigenart immer dann in Situationen aufzutauchen, in der man generell nicht mit gruseligen Spukgestalten umgehen kann, beispielsweise, wenn sie nachts an deinem Bett steht oder in einem Schaukelstuhl am Bett einer Patientin mit tragischem Schicksal in deren Zimmer du aus Versehen gestolpert bist. Und natürlich handelt es sich nicht um irgendeinen Schaukelstuhl, sondern um einen quietschenden.
Damit ist Sarah Perry mit ihrem Roman "Melmoth" ein wirkliches Kunststück gelungen. Sie findet genau die richtige Mischung zwischen Gruselgeschichte und moralischen Begebenheiten, die nicht nur dazu führen, dass man als Leserin oder Leser vollkommen in die Geschichte versinkt, sondern, dass sie nicht nur an einem Punkt nachdenklich stimmt.
Zugegeben, durch allerlei Zeitsprünge, Figuren- und Zeitebenen Verschiebungen ist "Melmoth" keine Geschichte, die man nebenbei weglesen kann. Durchaus komplex geschrieben, läuft man Gefahr sich in den Worten zu verlieren, doch es lohnt sich dran zu bleiben, denn man wird mit einem Buch belohnt, dass man so schnell nicht vergessen wird.
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