Samstag, 23. September 2017
Markus Orths - Max
Verlag: Hanser
Seiten: 576
Erschienen: 21. August 2017
Preis: 24.00 Euro (Ebook: 17.99 Euro)
Das ist das bewegte Leben eines begabten Künstlers namens Max Ernst.
Max begegnet schon in jungen Jahren der Begeisterung für das Malen und die Kunst durch seinen Vater. Doch trotzdem trennen die beiden himmelweite Unterschiede. Während sich sein Vater mit Naturporträts begnügt, will Max mehr. Er will Neues schaffen, er will jemand sein und in der Kunst etwas bewirken.
Über zwei Weltkriege und sechs bedeutenden Frauen, verfolgen wir Max' Leben durch die Jahre und stellen fest, dass man Leidenschaft für die Kunst und für die Ästhetik auch in den dunkelsten geschichtlichen Stunden finden kann.
Bei Markus Orths Buch "Max" habe ich sehr schnell gemerkt, dass ich es mit einer besonderen, mit einer einzigartigen Geschichte zu tun habe. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal das Glück hatte ein Buch zu lesen, dass mit so einer Leidenschaft geschrieben wurde. Markus Orths Begeisterung für seine Geschichte springt dem Leser auf jeder Seite ins Gesicht und man kann nicht anders, als sich von dieser Begeisterung mitreißen zu lassen. Das ist allerdings auch nicht sonderlich schwer, weil "Max" einfach großartig geschrieben ist. Und das liegt nicht nur an dieser besonderen und alles umfassenden Leidenschaft.
"Max" wird aus sechs verschiedenen weiblichen Perspektiven erzählt. Dabei handelt es sich um die Sichtweisen der bedeutenden Frauen in seinem Leben, allerdings nicht aus der Ich-Perspektive, was hilfreich ist, da man sich dadurch eine gesunde Distanz zu den Figuren bewahrt. Denn jede wichtige Frau in Max' Leben entwickelt auf verschiedene Arten und Weisen eine Obsession für den Künstler, die sie zweifellos irgendwann in einen Abgrund stürzen wird. Während die eine glaubt nicht genügen zu können, verliert sich die andere in romantische Vorstellungen einer Liebe, die zu dem Zeitpunkt schon längst erloschen ist. Zwischendurch wird dann aber auch immer wieder Max Erzählperspektive eingeführt und lässt schnell den Eindruck erwecken, dass alle diese Frauen von vorneherein keine Chance hatten, da Max einzig wahre Liebe der Kunst gilt.
In Markus Orths Geschichte werden allerdings nicht nur die Kunst und die Frauen thematisiert, sie ist zugleich Zeitgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts, in der der Protagonist an der Front im ersten Weltkrieg steht und im zweiten Weltkrieg, wohnhaft in Frankreich, von den Deutschen und Franzosen gleichermaßen verfolgt wird. "Max" zeigt aber zudem, dass die bedingungslose Liebe zur Kunst nicht nur ein ganzes Leben anhalten, sondern auch in den dunkelsten Zeiten der Gefahr ein Hoffnungsschimmer sein kann. Was ich ebenfalls sehr beeindruckend fand, waren die vielen Begegnungen in Max Leben mit einer Vielzahl von berühmten Namen. Gerade eine zufällige Begegnung am Ende des Buches hat mich so amüsiert, dass das Lächeln noch tagelang nach dem Lesen nicht mehr weichen wollte. Wahrhaftig, im Auftrag Ihrer Majestät.
Auch beim Schreiben dieser Rezension, stahl sich das ein oder andere Mal bei der Erinnerung an diese wundervolle Lektüre ein Lächeln auf meine Lippen. "Max" von Markus Orths gehört zu diesen besonderen Büchern, die man nicht mehr vergisst, weil es alles ist, außer monoton. Es sticht heraus, es betrübt, es fasziniert und vor allem macht das Buch unheimlich viel Freude. Und es gehört definitiv zu meinen absoluten Jahreshighlights.
Unbedingt lesen!
Mittwoch, 20. September 2017
Walter Moers - Prinzessin Insomnia und der albtraumfarbene Nachtmahr
Verlag: Knaus
Seiten: 345
Erschienen: 28. August 2017
Preis: 24.99 Euro (Ebook: 19.99 Euro)
Prinzessin Dylia Insomnia leidet an einer mysteriösen Krankheit, bei der ihr bisher keiner helfen konnte. Sie findet, manchmal tagelang am Stück, keinen Schlaf und wandelt in dieser Zeit als schlaflose Prinzessin durch das Schloss, in dem sie mit der königlichen Familie wohnt.
Eines Tages bekommt die Prinzessin Besuch von einem ungewöhnlichen Zeitgenossen. Havarius Opal ist ein albtraumfarbener Nachtmahr, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Dylia in den Wahnsinn treiben zu wollen. Er lässt sich durch nichts von dieser Mission abbringen. Davor macht der Nachtmahr der Prinzessin allerdings noch ein verlockendes Angebot. Dylia soll ihn auf die abenteuerliche Reise nach Amygdala begleiten, der berüchtigten Stadt der Angst, in der das dunkle Herz der Nacht regiert. Nach kurzem Zögern willigt Dylia in die Reise ein. Nicht nur, weil sie eine unabdingbare Neugier überfällt, sondern, weil es bei diesem Abenteuer um ihren Verstand und um ihr Leben geht...
Das war er also, der neue, schon sehr, sehr lange heiß ersehnte Roman von Walter Moers. Ein neues Abenteuer aus Zamonien, dem Planeten, der in den letzten Jahren so viele Fantasy-Fans begeistert hat. Ich war so gespannt auf "Prinzessin Insomnia und der albtraumfarbene Nachtmahr", dass ich schon fast die Tage im Kalender ausgestrichen habe. Und jetzt war es endlich soweit.
Die Geschichte der Prinzessin ist so typisch Walter Moers, dass man jede Seite mit einem Lächeln umblättert. Nach Zamonien zurückzukehren, das war ein bisschen wie nach Hause kommen, nach einer viel zu langen Reise und endlich wieder die heimische Atmosphäre zu erleben, die man nur erleben kann, wenn man sich wirklich wohl fühlt.
Trotzdem muss ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass Walter Moers' neues Werk wohl wirklich nur alteingesessenen Fans des Autoren zum verträumten Seufzen bringen wird. Allen anderen, die sich noch nicht mit dem Schreibstil Moers' auskennen, werden eine Geschichte lesen, die an manchen Stellen nicht richtig in Fahrt kommen will, und in der viele Dialoge vorkommen, die auf dem ersten Blick mit viel Belanglosem gefüllt sind. Bei Walter Moers allerdings steht so viel zwischen den Zeilen, dass man daraus eigentlich ein weiteres Buch schreiben könnte und es ist wichtig genau hinzusehen, denn es gibt dabei viel zu entdecken und herauszufinden. Auch wenn wir uns zweifellos in einer fantastischen Welt befinden, findet man in der Geschichte der Prinzessin jede Menge Verweise auf unsere heutige Gesellschaft.
Als Nächstes sind dann natürlich die - mal wieder - absolut hinreißenden Figuren in Moers' neuem Roman zu erwähnen. Allein Dylias und Opals bissige und sarkastische Dialoge, die immer wieder einem Schlagabtausch gleichen, machen so viel Spaß, dass man immer mehr davon haben will. Aber vor allem Dylia ist so ein liebenswerter, intelligenter und vielschichtiger Charakter, dass man jedes ihrer Worte und Gedanken begierig aufsaugt.
Zum Schluss muss ich dann wieder einmal applaudieren und respektvoll meinen Hut ziehen vor dieser unbändigen und alles umfassenden Fantasie dieses großartigen Autoren. Manchmal fragt man sich, wie Schriftsteller es schaffen ganze komplexe fantastische Welten zu erschaffen und nebenbei noch eine großartige Geschichte in ihnen spielen lassen. Bei Walter Moers fragt man sich das auch. Doch er schafft es überdies ebenfalls unglaubliche Geschichten zu erzählen und magische Orte entstehen zu lassen, ohne, dass seine Protagonisten den Raum verlassen.
"Prinzessin Insomnia und der albtraumfarbene Nachtmahr" hat mich nach Hause, nach Zamonien, gebracht und mir sehr viel Spaß gemacht. Zudem lohnt sich hier ein genauerer Blick in die Anmerkungen des Autoren, die noch einmal einen ganz neuen Blick auf das Buch werfen lassen. Die Geschichte ist eine abenteuerliche und gewiss einzigartige Reise durch das träumende Gehirn und obwohl ich das Buch nicht unbedingt Walter Moers Neulingen empfehlen würde, hat sich das Warten für eine Alteingesessene, so wie mich, mehr als gelohnt.
Montag, 18. September 2017
Karan Mahajan - In Gesellschaft kleiner Bomben
Verlag: CulturBooks
Seiten: 376
Erschienen: 1. August 2017
Preis: 25.00 Euro (Ebook: 15.99 Euro)
Das Leben des jungen Mansoor ändert sich schlagartig, als eine Bombe auf einem Marktplatz in Delhi explodiert, den seine Freunde, die Khuarana Brüder und er selbst gerade besuchen. Der zwölfjährige Mansoor überlebt den Anschlag, während seine Freunde sterben.
Die Bombe auf dem Marktplatz wird als eine der vielen "kleineren" Bomben bezeichnet, die von der Welt kaum Beachtung erfahren. Doch diese hinterließ einen gewaltigen Riss im Leben aller Beteiligten. Während die Eltern der Khuarana Brüder plötzlich mit dem Tod ihrer einzigen Kinder konfrontiert werden, müssen Mansoor und auch seine Eltern mit den Bürden der Überlebenden zurechtkommen. Die Bombe hinterlässt Spuren an Körper und Seele. Nach einem Aufenthalt an einer amerikanischen Universität, kehrt Mansoor viele Jahre später nach Delhi zurück. Er freundet sich dort mit dem Aktivisten Ayub an, mit dessen Einflussnahme nimmt Mansoors Lebensweg plötzlich immer radikalere Formen an...
Auf die Thematik in "In Gesellschaft kleiner Bomben" von Karan Mahajan war ich deswegen so gespannt, weil das Buch als eines der wenigen einen Anschlag zum Gegenstand seiner Handlung macht, der in natura an leider zahllosen Beispielen gesehen, in den Medien wohl keine größere Beachtung finden würde. In Mahajans Geschichte wird das Schicksal von Angehörigen der Opfer und Überlebenden thematisiert, das relativ schnell in der Nachrichtenflut unserer heutigen Gesellschaft vom Bildschirm verschwindet und stellt gerade in Hinblick auf die "Überlebenden-Figur" des Mansoor, möglicherweise auch einen Appell dar, diese Menschen nicht zu vergessen.
Aber erst einmal der Reihe nach: Mir persönlich fiel es relativ schwer eine angemessene Einschätzung der Geschichte wiederzugeben. Das lag vor allem daran, dass mir der Erzählstil zu sprunghaft war. Ich benötige meistens eine kurze Dauer, um herauszufinden aus welcher Perspektive der verschiedenen Charaktere eigentlich gerade erzählt wurde. Daraus resultierte, dass es mir an einigen Stellen schwer fiel den Handlungsstrang zu folgen und oft musste ich auch einige Absätze zurückspringen, um das Lesen noch einmal neu aufzunehmen. Gleichzeitig war da aber auch der unabdingbare Wille meinerseits dem Handlungsstrang folgen zu wollen, weil ich, wie bereits angedeutet, die Thematik der Geschichte wahnsinnig interessant und vor allem wichtig fand. Abgesehen von dem mir persönlich zu sprunghaften Wechseln der Erzählperspektiven, erlauben diese gleichzeitig eine gute Einsicht in die Gefühlswelt der jeweiligen Figuren. Die Eltern der verstorbenen Khuarana Brüder verkörpern hierbei das Schicksal der Hinterbliebenden. Mansoors Erzählstrang beschäftigt sich mit der Überlebenden Rolle, der allerdings das Überleben nicht zum Thema macht, sondern die körperlichen und seelischen Folgen eines solchen traumatischen Erlebnisses. An Mansoors weiteren Lebensweg wird überdies deutlich gemacht, was passiert, wenn die Gesellschaft glaubt, dass der Schicksalsweg eines Überlebenden bei seinem Überleben endet und ihn damit keine weitere größere Hilfe zuteil werden muss.
Auch Ayub, ein Aktivist, mit dem Mansoor in Kontakt kommt, verkörpert einen allumfassenden Charakter in "In Gesellschaft kleiner Bomben". Er thematisiert die Handlungskette, in der beschrieben wird, wie Menschen, die zunächst lediglich strikte politische Ansichten verfolgten, sich durch eine Vielzahl von fast schon unglücklichen Umständen radikalisieren und schließlich zu Terroristen werden.
Karan Mahajan hat eine zweifellos wichtige Geschichte geschrieben. Eine Geschichte, die gleichzeitig provozieren und aufrütteln soll. Dieses Konzept geht im Großen und Ganzen auf. Auch wenn mich der Erzählfluss oft stocken ließ, wollte ich doch immer wissen, wie es weiter geht und zu welchem Ende die Geschichte schlussendlich kommen wird.
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