Montag, 28. Mai 2018
Matt Ruff - Lovecraft Country
Verlag. Hanser
Seiten: 433
Erschienen: 14. Mai 2018
Preis: 24 Euro
An dieser Stelle beginne ich normalerweise immer mit dem Inhalt eines Buches, damit zumindest ein kurzer Überblick vermittelt wird, um was es in der Geschichte eigentlich geht. Es gibt allerdings Bücher, so habe ich in den letzten Tagen gelernt, da kann man dieses 'eigentlich' nicht beschreiben, egal, wie sehr man es versucht.
Es gibt Bücher, die haben so viel, dass ein bloßer Grundriss ihres Inhalts nicht einmal ansatzweise dem nahe kommt, was man eigentlich vermitteln will, was man sagen möchte.Wenn man es simpel ausdrückt, möchte ich mit diesem Text wohl sagen, dass man "Lovecraft Country" von Matt Ruff unbedingt lesen muss.
Ohne Ausnahme oder Einschränkungen.
Für mich gehört dieses Buch zu den besten, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, auch wenn ich einen prägnanten Grund, der sofort einleuchtet, nicht benennen kann. "Lovecraft Country" wirft, obwohl es durchaus wichtige Botschaften vermittelt, trotzdem nicht mit philosophischen Weisheiten um sich. Es ist keine Geschichte, bei der man am liebsten auf jeder Seite mindestens ein Zitat hervorheben möchte, weil es so schön geschrieben ist. Es ist viel mehr ein intensiver und nicht erklärbarer Sog, der den Leser von der ersten Seite packt und während der gesamten Handlung nicht mehr loslässt. "Lovecraft Country" gehört zu diesen Geschichten, an die man denkt, auch wenn man sie nicht gerade liest und die einen breit lächeln lassen, entweder, weil man an eine vergangene gelesene Szene denkt oder weil man sich darauf freut schon bald weiter lesen zu dürfen.
"Lovecraft Country" ist eines dieser Bücher, bei denen man den ein oder anderen Satz noch ein zweites Mal lesen muss, um ganz sicher zu gehen, dass man das auch gerade wirklich so gelesen hat. Und es gehört zu diesen Geschichten, bei denen man jedes einzelne Wort gierig aufsaugt aus purer Angst irgendetwas zu verpassen.
Doch was ist "Lovecraft Country" jetzt eigentlich genau?
Die Geschichte ist ein wilder Genremix aus Fantasy, Science-Fiction und den dunkelsten Zeiten amerikanischer Geschichte, die Rassentrennung in den fünfziger Jahren. Genreuntypisch spielen in Ruffs Roman schwarze Protagonisten die Helden und das machen sie mit einer solchen beeindruckenden Intensität und Genialität, dass man ihnen am liebsten ständig applaudieren möchte. "Lovecraft Country" lebt von seinen Figuren in jeder einzelnen Zeile und es lebt überdies von seinem verrückten Handlungsstrang, der uns von Grusel- und Spukhäusern ohne Umwege auf andere fremde Planeten befördert. Gleichzeitig besitzt dieses Buch eine erschreckende Aktualität, die die fünfziger Jahre als etwas erscheinen lassen, dass man gestern im Fernsehen gesehen oder in der Zeitung gelesen hat.
Es ist schon beeindruckend ein Buch zu schreiben, das gleichzeitig belehrt, zum Nachdenken anregt, auch abseits der Lesezeiten und dabei noch so wahnsinnig gut unterhält. Matt Ruff hat dieses Kunststück vollbracht.
Montag, 14. Mai 2018
/Filmrezension/ Eleanor & Colette
Regie: Billie August
FSK: 12 Jahre
Genre: Drama/Filmbiografie
Länge: 1 Stunde, 55 Minuten
Starttermin: 03. Mai 2018
Eleanor Riese macht nach einer ihrer zahlreichen Selbsteinweisungen in eine psychiatrische Klinik Nägel mit Köpfen und engagiert die zielstrebige Anwältin Colette. Eleanor ist sich ihrer Schizophrenie und ihrer Angstattacken durchaus bewusst, sie verweigert auch nicht die Medikamenteneinnahme, es geht ihr darum nicht zwangsweise mit Medikamenten vollgepumpt zu werden, sondern selbstständig, wozu sie durchaus in der Lage ist, über die Dosis bestimmen zu dürfen.
Vor Gericht geht es schnell nicht nur mehr um Eleanors Schicksal, sondern um das von 150 000 psychisch kranken Menschen in den Vereinigten Staaten, die regelmäßig gegen ihren Willen mit Medikamenten vollgepumpt werden, ungeachtet der Nebenwirkungen und Risiken einer solchen unkontrollierten Medikamentendosis.
Wegen ihrer besonderen und einzigartigen Art nimmt Eleanor nicht nur ihre Anwältin für sich ein, sondern alle Menschen in ihrer Umgebung aber besonders zwischen diesen grundverschiedenen Frauen entsteht eine Freundschaft, die zeigt, dass alles möglich ist, wenn man nur fest genug darum kämpft.
Auch mehrere Tage nach meinem Kinobesuch von "Eleanor & Colette" fällt es mir immer noch schwer die Fülle der Emotionen zu erfassen, die mich überwältigt haben, nach dem der Abspann über die Kinoleinwand lief.
Was für eine einzigartige, was für eine wunderschöne, besondere, tieftraurige, Mut machende, berührende und inspirierende Geschichte.
Helena Bonham Carter, so scheint es, spielt mit Eleanor Riese die Rolle ihres Lebens. Fast in jeder Szene wollte ich ihr für ihre grandiose schauspielerische Leistung applaudieren.
Ich hätte im Vorfeld niemals damit gerechnet, dass mich dieser Film so berühren würde. Ich bin davon ausgegangen, dass der Handlungsverlauf, der auf wahren Begebenheiten beruht, größtenteils die Seite dieses äußerst bedeutenden und schwierigen Falls beleuchtet. Dem war allerdings nicht so.
Natürlich wurden oft die Gespräche über die Strategie in diesem Fall zwischen Colette und ihrem Partner Mort gezeigt und auch einige Gerichtsszenen waren enthalten, doch schnell wurde deutlich, dass der Hauptfokus der Erzählung auf die besondere Freundschaft zwischen Eleanor und Colette, Eleanors Wesen und dem allmählichen Wandel in Colettes Privatleben gelegt wird, weil die zunächst introvertierte Colette im Laufe der filmischen Handlung immer mehr erkennt, was im Leben wirklich wichtig ist. Und das liegt natürlich größtenteils an ihrer neuen Freundin Eleanor, die permanent so viel Bedeutendes und Wichtiges von sich gibt, dass man eigentlich den ganzen Tag mit einem Block und Stift neben ihr hergehen müsste.
"Eleanor & Colette" erlaubt einen wichtigen Blick hinter die Fassade einer unglaublichen und inspirierenden Frau, der das Leben nicht nur in gesundheitlicher Hinsicht übel mitgespielt hat und die trotzdem unbeirrt ihren Weg geht und die niemals vergisst, was wichtig ist. Zudem scheint der Film, nach den unfassbaren Diskussionen um einen neuen Gesetzesentwurf in Bayern, in dem psychisch kranke Menschen wie Straftäter behandelt werden sollen, genau zum richtigen Zeitpunkt zu kommen.
"Eleanor & Colette" wirft ein neues Licht auf einen der wichtigsten Gerichtsprozesse in der amerikanischen Geschichte, der für so viele Menschen eine enorme Bedeutung hatte. Außerdem zeigt dieser wunderschöne Film, dass Freundschaft alles möglich machen kann. Sie lässt mühsam aufgerichtete Mauern einbrechen und Lebensweisen komplett überdenken. Sie zeigt das Wahre, das Wunderschöne, das Zerbrechliche und die Stärke in Menschen. Und sie macht es möglich, dass du solche Filme am liebsten umarmen möchtest, weil sie dir in gerade einmal zwei Stunden so viel geben.
Dieses Seven-Up trinke ich auf dich, Eleanor!
Unbedingt anschauen!
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