Sonntag, 25. November 2018

Gabriel Tallent - Mein Ein und Alles






Verlag: Penguin
Seiten: 480
Erschienen: 24. September 2018
Preis: 24 Euro (Ebook: 18.99 Euro)






Turtle lebt seit dem Tod ihrer Mutter alleine mit ihrem Vater Martin in den einsamen Wäldern Nordkaliforniens in einem Haus, das definitiv seine besten Jahre hinter sich hat. Einzig Turtles Großvater lebt in der Nähe von Vater und Tochter. 
Martin ist ein durchaus intelligenter aber fanatischer Waffennarr, der der festen Überzeugung ist, dass die von Menschen bevölkerte Erde in sehr naher Zukunft ihrem Ende entgegen steuert. Dementsprechend ist Martins Beziehung zu seiner Tochter von Gewalt, Missbrauch und psychischer Unterdrückung geprägt. Schon in jungen Jahren lernt Turtle von ihrem Vater den Umgang mit allen möglichen Waffentypen. Was sie nicht von ihm lernt, ist der Umgang mit ihren Mitmenschen, denen Turtle konsequent aus dem Weg und somit die Zahl ihrer sozialen Interaktionen gegen null geht. 
Doch alles ändert sich an dem Tag, als Turtle Jacob über den Weg läuft. Jacob, der ihr zeigt, dass das Leben einen größeren Raum besitzt, als die Wäldern, in denen Turtle aufgewachsen ist, ihr heruntergekommenes Zuhause und ihren Vater. Doch Martin wird nicht zulassen, dass Turtle diesen Weg geht, denn sie ist sein Ein und Alles...

Von der ersten Seite an hat mich Gabriel Tallents Debütroman "Mein Ein und Alles" überwältigt. Obwohl Turtles Geschichte nicht aus der Ich-Perspektive erzählt wird, baut der Leser mit einer fast schon beängstigenden Geschwindigkeit eine intensive Beziehung zu der Figur auf. Eine Verbindung, die so tief greift, dass es gerade am Anfang der Geschichte schwer fällt die Seiten zu lesen und alles anzunehmen, was die Zeilen hergeben. Die Intensität ist einfach zu hoch. Fast schon körperlich spürt man Turtles inneren Zwiespalt, der sich zwischen einem radikalen Ausbruch aus ihrem Leben und der krankhaften und fast schon fanatischen Hassliebe zu ihrem Vater bewegt. Obwohl ihre Gefühle nie wirklich beschrieben werden, fühlt man als Leser doch so viel und so intensiv zwischen den Zeilen, dass es schon fast Angst macht.
Und während man im ersten Drittel des Romans versucht an Turtles Seite zu sein, egal wie schwer es fällt und man einfach nicht so viele Seiten am Stück lesen kann, kommt irgendwann ein Punkt in der Geschichte, an dem es kein Zurück mehr gibt. Es geschieht etwas Eigenartiges. Ein unglaublicher Sog entsteht, der den Leser plötzlich an das Buch fesselt. Und während man vorher noch schwer weiterlesen konnte und sich fast zwingen musste, ist es nun unmöglich die Geschichte beiseite zu legen, ohne zu wissen, wie sie enden wird. 
Und Turtle, eigentlich fehlen einem fast die Worte angesichts einer so besonderen und starken Protagonistin. Turtle forder die Leserinnen und Leser dieses Buches immer wieder heraus sie nicht zu mögen. Manchmal scheint es fast, als würde sie sie anschreien, was ihnen denn einfallen würde ihre Geschichte zu lesen, doch wir Leser lassen uns davon schwer beeindrucken. Einfach, weil es uns sehr schwer fällt, Turtle nicht zu mögen, ihr nicht anzumerken, dass sie gerade in dem sozialen Umfeld, das nicht ihren Vater mit einschließt, eine Rolle speilt, die sie jahrelang antrainiert bekommen hat und die sie aber genauso verzweifelt wieder loswerden möchte. Und nicht nur einmal möchte man Turtle in den Arm nehmen, um ihr zu zeigen, dass jemand da ist, der sich wirklich um sie sorgt, auch wenn sie es wahrscheinlich nicht zulassen würde.
Gabriel Tallent hat mit "Mein Ein und Alles" etwas Mutiges gewagt. Er erzählt eine Geschichte, in der fast alle Formen der Gewalt eine zentrale Rolle spielen und die manchmal und wahrscheinlich gerade deswegen schwer zu ertragen ist. Gleichzeitig klagt Tallent die fanatische Waffenvernarrtheit der amerikanischen Bevölkerung an und macht deutlich, dass sie unter dem fadenscheinigen Deckmantel des "Schutz suchen", mit dem das Waffengesetz in den USA am meisten rechtfertigt wird, mehr als einmal diejenigen vergessen, die wirklich Schutz benötigen. Das Ende des Romans greift dieses Motiv dann noch einmal auf und lässt es in einer fast schon absurden, aber wohl absichtlich herbeigeführten Doppelmoral aufleuchten. 
"Mein Ein und Alles" ist somit ein rundum gelungenes Kunststück der Gegenwartsliteratur geworden. Eine Geschichte, die einiges abverlangt aber genauso viel wieder zurückgibt. 

Sonntag, 21. Oktober 2018

Buchmesse. Eine Liebeserklärung.

Ach Buchmesse,
erinnerst du dich an deinen Sonntag? Bestimmt erinnerst du dich. 
Sonntags laufen die unzähligen Menschen, die auch schon am Samstag durch deine Hallen und Gänge gewandert sind, noch einmal durch aber dieses Mal mit prall gefüllten Geldbeuteln, um die vielen Schätze, die sie sich am Samstag meistens schon ausgeguckt haben, zu kaufen. Meistens verbringen sie den gesamten Messesamstag damit sich einzureden, dass sie wirklich nur diese drei Bücher, die sie auf ihre Liste gesetzt haben, kaufen würden und kein anderes, weil drei Bücher ja wohl reichen würden. An deinem Sonntag spazieren genau diese Menschen mit einem verstohlenen Blick zum Ausgang, damit auch ja niemandem die riesige Büchertasche auffällt, die sie beim Hereingehen noch nicht dabei hatten. 
Ach Buchmesse,
an deinem Sonntag war meine Schrittzähler App auf meinem Handy wirklich stolz auf mich, denn knapp 20 000 Schritte, also insgesamt vierzehn Kilometer zählt sie wohl auch nur an einigen wundervollen Tagen im Oktober. 
Buchmesse, du bist anstrengend, das steht außer Frage. Klar, an den Fachbesuchertagen kann man sich eigentlich noch ganz entspannt durch deine Hallen hindurch bewegen, doch spätestens am Samstag wird es voll, laut und in diesem Jahr auch noch ungewöhnlich warm. 
Aber weißt du was? Deinen Zauber, der mich nun schon zum vierten Mal hintereinander zu dir geführt hat, wirst du wohl nie verlieren. 
Als wohl größte Buchhandlung der Welt hast du sowieso so viel Magie in dir, dass ich mich nicht wundern würde, wenn an einigen Stellen Funken fliegen würden. Und klar, du bist anstrengend aber es gibt Anstrengungen im Leben, die zu einem so wohligen Gefühl der Zufriedenheit und Wärme führen, dass sie es wert sind jedes Jahr in Angriff genommen zu werden. Natürlich sagt jeder von uns mindestens einmal während der Messezeit:
"Das mache ich nächstes Jahr nicht mehr mit!"
Aber seien wir doch mal ehrlich? Im darauffolgendem Jahr fahren wir wieder mit Begeisterung nach Frankfurt. 
Buchmesse bedeutet nicht nur die größte Buchhandlung der Welt. In Frankfurt treffen wir auf ganze Horden von Autoren, also die Heldinnen und Helden, die uns so vorbehaltlos an ihren großartigen Geschichten teilhaben lassen. Wir dürfen uns von ihnen unsere Bücher signieren und Fotos mit ihnen machen lassen. Vielleicht ist auch das ein oder andere kleine Gespräch möglich. Oder man steht in der Nähe von ihnen irgendwo schüchtern am Rand herum, weil die aufrichtige innere Verehrung dieses Menschen dann doch überwogen hat. Alles ist möglich. Es ist auch möglich einige von ihnen in die Arme zu schließen, weil sie längst zu Freunden geworden sind. 
Und wo wir gerade bei Freunden sind. 
Liebe Buchmesse, 
du gibst uns einen Ort, an dem wir alle vereint sind. Wir Büchermenschen, die genau wissen, wie es ist, wenn die Lieblingsautorin oder der Lieblingsautor ein neues Buch veröffentlicht und wir es mit klopfendem Herzen endlich in den Händen halten dürfen. Wir Büchermenschen, die genau wissen, wie es sich anfühlt, wenn eine Geschichte so überwältigend und großartig erzählt wird, dass man sie in die Welt hinaustragen möchte, damit möglichst viele Menschen sie ebenfalls lesen. 
Kein Wunder, dass bei dir eine immerwährende Verbundenheit zwischen Menschen herrscht, die sich vorher noch nie getroffen haben und dass bei dir Freundschaften geschlossen werden, die das Potenzial haben ein ganzes Leben zu halten. 
Ich weiß, dass du auch nicht nur deine guten Seiten hast, liebe Buchmesse. Dass in den letzten Jahren Verlage und Menschen versuchen rechtes Gedankengut, während deiner Messetage, die doch immer für Vielfalt, für ein buntes und friedliches Miteinander und für Intellektualität stehen, zu vertreiben. Doch ich weiß auch, dass wir mehr sind und dass wir nicht zulassen werden, dass solche Dinge wie Rassismus oder Hass bei dir im Vordergrund stehen. 
Liebe Buchmesse,
ich freue mich schon im nächsten Jahr meinen Schrittrekord noch einmal zu überbieten, wahrscheinlich dieses Mal mit drei heimlich zusammengekauften und von der Liste leicht abgewichenen Büchertaschen in den Armen. Ich kann das Grinsen schon fast nicht mehr erwarten, dass mich immer überkommt, wenn ich das Messegelände zum ersten Mal betrete. Ich freue mich auf deine Autoren im nächsten Jahr, alte und neue und vielleicht auch dieses Mal Benedict Wells, bei dem ich aber wohl eher zu der Fraktion gehören werde, die schüchtern irgendwo am Rand herumsteht und möglicherweise einmal ein heimliches Lächeln riskiert. Ich freue mich sogar darauf, wie mich im jedem Jahr darüber aufzuregen, warum ein gewisser Herr Sebastian Fitzek sein neues Buch eigentlich immer erst kurz nach der Buchmesse veröffentlicht. 
Ich freue mich auf alte und neue Freunde, auf neue Bekanntschaften, auf tolle Gespräche, interessante Veranstaltungen und auf die Bücher, die ich kaufen werde und natürlich auch auf die ungefähr achttausend Bücher, die während und nach der Messe auf meiner Wunschliste landen, denn ein bisschen Vernunft muss ja auch dabei sein.
Ich freue mich auf deine Vielfalt, dein freundliches und friedliches Miteinander und auf deine Menschen. 
Bis nächstes Jahr! 

Dienstag, 9. Oktober 2018

Muriel Spark - Die Blütezeit der Miss Jean Brodie






Verlag: Diogenes
Seiten: 240
Erschienen: 29. August 2018
Preis: 24 Euro (Ebook: 20.99 Euro)







Miss Jean Brodie unterrichtet an einer schottischen Mädchenschule in Edinburgh in den dreißiger Jahren. Mit ihren unkoventionellen Lehrmethoden sorgt die Lehrerin bei dem Rest des Kollegiums immer für ordentlich Gesprächsstoff und die Direktorin der Schule hat nicht nur einmal versucht Miss Brodie irgendetwas zu unterstellen, damit sie diese entlassen kann. 
Doch Miss Brodie lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen und macht unbeeindruckt mit ihren unüblichen Unterricht weiter. Ihr unermüdliches Selbstvertrauen rührt vor allem daher, dass der Großteil von ihren Schülerinnen Miss Brodie über alle Maßen verehren, vor allem eine besondere Gruppe von Mädchen, die sogenannte 'Brodie-Clique', die das Exklusivrecht genießt besonders viel Zeit mit der Lehrerin verbringen zu dürfen. 
Doch ausgerechnet eine dieser besonderen Schülerinnen vollbringt das Unvollstellbare: Sie verrät Miss Brodie an die Direktorin...

"Die Blütezeit der Miss Jean Brodie" von Muriel Spark erschien erstmals 1961 und wurde nun vom Diogenes Verlag in frischer Aufmachung neu verlegt. Die Geschichte um eine Lehrerin mit unkoventionellen Lehrmethoden an einer schottischen Mädchenschule ist allein schon aus dem Grund etwas Besonderes, weil sie mit den Konventionen und Tabus ihrer zeitlichen Einordnung bricht. Miss Jean Brodie lehrt in den dreißiger Jahren in einem streng katholischen Schottland, in dem junge Mädchen mit Themen wie Liebesbeziehungen oder gar Sexualität normalerweise überhaupt nicht in Berührung kommen. Muriel Spark allerdings erzählt in "Die Blütezeit der Miss Jean Brodie" eine Geschichte, die von diesen Themen geradezu beherrscht wird. Sei es die ständige Thematisierung der Dreiecksgeschichte zwischen Miss Brodie und zwei ihrer männlichen Lehrerkollegen, von denen einer sogar verheiratet ist, oder die ständigen Mutmaßungen über eben diese Dreiecksgeschichte der Schülerinnen der 'Brodie-Clique', die unweigerlich dazu führen, dass sich die jungen Frauen selbst mit ihrer eigenen Sexualität beschäftigen, überall scheint dieses Thema präsent zu sein. 
Zudem ist Miss Brodie selbst eine Figur, die literarisch höchst interessant ist. Ohne den Kontext der eigentlichen Geschichte zu kennen, würde man, als Leser, die Sympathien zunächst einmal vorbehaltlos Miss Brodie übergeben. Schließlich ist es weit verbreitet literarische Figuren, die aus der Rolle fallen, erst einmal zu mögen. Während man in die Handlung eintaucht, ändert sich dieser Eindruck allerdings schnell. Als Erstes wären da Miss Brodies politische Ansichten zu erwähnen. Gegenüber der 'Brodie-Clique' gibt sie offen zu den Faschismus gut zu heißen und bezeichnet die parallel laufende Machtübernahme der Nazis in Deutschland als eine gute Sache. Zudem wird, während die Geschichte ihren Lauf nimmt, deutlich, dass Miss Brodie ihren Schülerinnen und vor allem die 'Brodie-Clique' nicht wirklich als menschliche Wesen, sondern eher als eine formbare Masse ansieht, die sie zuallererst nach ihren Vorstellungen gestalten möchte. Nach ihren eigenen Worten möchte Miss Brodie selbst möglichst viel Einfluss auf das Leben ihrer Schülerinnen nehmen. Auch die Art und Weise wie sie einige der Mädchen beschreibt, lässt nicht gerade positive Gefühle gegenüber dieser Hauptfigur aufkommen. 
Trotz dieses Umstandes fällt mein persönlicher Gesamteindruck von "Die Blütezeit der Miss Jean Brodie" sehr gut aus. Die Geschichte besitzt eine ganz eigene Art von Frische, die sich schwer beschreiben lässt. Auch die ständigen Zeitsprünge in der Erzählung, die mir bei vielen anderen Büchern eher negativ auffallen, haben mir hier gut gefallen und den Lesefluss keinesfalls gestört. 
Außerdem hat Muriel Spark das seltsame Kunststück vollbracht auf eigentlich wenigen Seiten sehr viel Geschichte zu erzählen und das macht das Buch zu etwas ganz Besonderem. 


Dienstag, 11. September 2018

Ursula Poznanski - Thalamus






Verlag: Loewe
Seiten: 448
Erschienen: 13. August 2018
Preis: 16.95 Euro (Ebook: 12.99 Euro)







Nach einem schweren Motorradunfall erwacht der siebzehnjährige Timo nach wochenlangem Koma im Krankenhaus auf. Seine Sprache hat der Teenager, aufgrund seiner schweren Kopfverletzungen, verloren. Ob das ein Dauerzustand oder nur vorübergehend ist, kann niemand genau sagen. Auch seine motorischen Fähigkeiten sind stark eingeschränkt. 
Alles was Timo in diesem Zustand hat sind seine Gedanken, die er allerdings niemandem mitteilen kann. 
Um seine Genesung zu unterstützen, wird Timo nach seinem Klinikaufenthalt in das Rehazentrum 'Markwaldhof' verlegt. Hier sollen die Patienten durch neuartige medizinische Verfahrenstechniken geheilt oder ihr Leben zumindest verbessert werden. Doch im Markwaldhof entdeckt Timo plötzlich Fähigkeiten an sich, die ihm gänzlich neu sind. Dadurch gerät er immer wieder in mysteriöse und immer absurder wirkende Situationen, die er sich selbst nicht erklären kann.
Nur eins steht fest: Irgendetwas Seltsames geht vor in dieser eigentlich renommierten Rehaklinik, nur kann Timo niemandem von seinem Verdacht erzählen. Und dann fängt sein Bettnachbar, der eigentlich im Wachkoma liegt, auch noch an nachts durch die Gegend zu laufen...

Mit "Thalamus" legt Ursula Poznanski einen neuen Jugendthriller vor, der sich gewaschen hat. Die Geschichte über einen Jugendlichen in einer mysteriösen Rehaklinik weit weg von der Zivilisation, ist nämlich nicht nur sehr spannend geschrieben, sondern vereint zudem noch einige Science-Fiction und Gruselelemente in sich, die die Handlung perfekt abrunden. 
Nie wusste man als Leserin oder als Leser wirklich, wohin die Handlung eigentlich führen würde und worin die schlussendliche Auflösung der Geschichte bestand. Diese Auflösung besaß dann zum Schluss noch einmal eine solche Frische, weil ich diese Art der Handlungskonzeption bisher noch nicht kannte, dass sie der Lektüre das ideale Ende bescherte. Sicherlich möchte ich nichts vorweg nehmen, nur noch einmal betonen, dass sich die Autorin hierbei mit einem Thema beschäftigt hat, das zunächst noch wie Science-Fiction klingt aber während man noch darüber nachdenkt immer realer zu werden scheint, was "Thalamus" auch nach Beenden des Buches noch lange in den Köpfen einiger Leser verweilen lassen wird. 
Besonders gut gefallen haben mir Timos nächtliche Kreuzzüge durch die Gänge der Klinik, weil diese zunächst wesentlich zur Auflösung der Geschichte beigetragen haben und einfach weil sie so herrlich spannend und gruselig erzählt wurden. Jedes Mal, wenn der Protagonist Timo die Augen in der Nacht aufgeschlagen hat, wusste man nicht, was als Nächstes passieren würde, weil tatsächlich die Möglichkeit bestand, dass alles passieren konnte. Gerade beim nächtlichen Lesen im eigenen heimischen Bett konnte es durchaus passieren, dass man sich, während des Lesens, rechts und links verstohlen umsah, wenn der Grusel überhand nahm. 
Eine ebenfalls lobenswerte Erwähnung müssen unbedingt die Charaktere in Poznanskis Geschichte erfahren. Zunächst einmal wirken sie alle so unglaublich sympathisch, sowohl der Protagonist als auch die Nebenfiguren. Die Patienten in Timos Alter nehmen diesen herzlich in ihrer Gemeinschaft auf, obwohl er das ganz offensichtliche Sprachdefizit aufweist und somit ist Timo sofort integriert. Genau dieser Punkt trägt dann auch wesentlich zum Handlungsverlauf bei und wird sogar am Ende des Buches noch einmal so intensiv umgekehrt, dass Grusel und Spannung ihren Höhepunkt. Sicherlich trägt auch die Erzählweise sein Übriges bei, da wir, als Leserinnen und Leser, die gesamte Handlung bloß Timos Gedanken folgen und uns immer nur seine Perspektive gegeben ist. 
"Thalamus" ist ein Jugendthriller geworden, der alles aufweist, was man von ihm erwartet und an vielen Stellen sogar darüber hinausgeht. Eine Lektüre, die man sicherlich nicht bereuen wird. 

Montag, 3. September 2018

Dennis Lehane - Der Abgrund in dir






Verlag: Diogenes
Seiten: 527
Erschienen: 29. August 2018
Preis: 25 Euro (Ebook: 21.99 Euro)







Der äußere Schein von Rachels Leben vermittelt den Eindruck, als wäre alles auf dem richtigen Platz und würde in geraden Bahnen verlaufen. Sie hat einen fürsorgenden Ehemann, der sie über alles liebt und eigentlich alles, was sie sich wünschen kann. Doch wirft man einen genaueren Blick auf ihr Leben wird schnell deutlich, dass nicht alles so rosarot ist, wie es scheint. 
Von ihrer Vergangenheit und zahlreichen Panikattacken erschüttert, verlässt Rachel teilweise monatelang nicht das Haus und als dann noch die scheinbar einzige Konstante in ihrem Leben, ihr Ehemann Brian, Rachels Leben in eine Farce aus Betrug und Verrat verwandelt, muss sie sich entscheiden, welchen Weg sie wählen wird und ob es sich lohnt für das Leben zu kämpfen, das sie führt...

"Der Abgrund in dir" war mein erster Roman von dem Autoren Dennis Lehane. Schon länger wollte ich unbedingt etwas von Lehane lesen und die Geschichte um die erst erfolgreiche und dann gescheiterte Journalistin Rachel klang wie der perfekte Einstieg in die Welt dieses Krimi-Thriller- und Mysterythrillerautoren. Und ich muss zugeben, dass Lehane sein Handwerk wirklich perfekt beherrscht. Am tiefsten beeindruckt hat mich seine Hauptfigur Rachel. Einer so vielschichtigen Protagonistin begegnet man selten in einem Roman. Rachel hat, während die Geschichte ihren Verlauf genommen hat, immer mehr Seiten von sich gezeigt. Doch obwohl diese Intensität an charakterlichen Veränderungen bei einigen literarischen Figuren dazu führen würde, dass sie unglaubwürdig werden und ihre Handlungen schwer bis gar nicht nachzuvollziehen sind, hat es Dennis Lehane geschafft seiner Protagonistin Rachel die Authentizität zu bewahren. Auch wenn die Handlung ein paar krasse Wendungen aufzubieten hat, konnte ich Rachels Handlungsweise eigentlich fast immer nachvollziehen und meiner Ansicht nach ist dieser Punkt einer der wichtigsten Faktoren, um aus einem Thriller einen guten Thriller zu machen. 
Auch die psychlogische Komponente der einzelnen Figuren wird besonders gut in "Der Abgrund in dir" dargestellt. An manchen Stellen in der Geschichte wusste ich nicht, ob sich das Ganze plötzlich zu einem handfesten Mystery Thriller verwandelt.
In Dennis Lehanes neustem Werk kann man demnach nur einer Sache sicher sein und zwar, dass so gut wie nichts sicher ist. "Der Abgrund in dir" watet mit einer ganzen Menge Unvorhersagbarem, einem Dutzend irrer Wendungen, die die ganze Handlung an manchen Stellen komplett umwerfen und schon fast meisterhaft herausgearbeiteten Protagonisten auf. Dabei verliert die Geschichte aber nie an Glaubwürdigkeit und wird so zu einem Thriller, den man nicht nur zu den besseren zählen darf, sondern der auch eine Menge Spaß macht. 

Mittwoch, 15. August 2018

Krysten Ritter - Bonfire - Sie gehörte nie dazu




Verlag: Diana
Seiten: 368
Erschienen: 13. August 2018
Preis: 16 Euro (Ebook: 12.99 Euro)





Abby ist eine junge Anwältin, die in Chicago lebt und mitten im Leben steht. Von einem auf den anderen Tag wird sie plötzlich mit ihrer Vergangenheit konfrontiert, als sie einen Fall annimmt, der sie zurück in ihre Heimatstadt führt. 
Barrens ist eine Provinzstadt in Indiana, in der jeder jeden kennt und in der Abby die Hölle ihrer Jugend erlebt hat. Jetzt wird Barrens Schauplatz eines Umweltskandals, der vor allem das Trinkwasser der Stadt betrifft und eine Firma in den Fokus rückt, die eigentlich für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Rettung der Kleinstadt steht.
Abby muss sich in Barrens nicht nur den Schrecken ihrer Vergangenheit stellen, sondern gerät auch immer mehr in den Strudel krimineller Machenschaften einer Firma, der kein Trick zu schmutzig ist...

"Bonfire - Sie gehörte nie dazu" ist das erste Buch der aus den Serien "Breaking Bad" und "Jessica Jones" bekannten Schauspielerin Krysten Ritter. Als Schauspielerin ist Ritter zweifellos grandios, dementsprechend gespannt war ich, wie sie mir als Autorin gefallen würde. Ich würde ihren ersten Roman nicht unbedingt als Thriller einstufen, wie auf dem Klappentext vermerkt. "Bonfire" bewegt sich eher zwischen Kriminal- und Detektivgeschichte und Gesellschaftsroman. Das beherrschende Thema des Handlungsstranges, dem Umweltskandal, der sich vor allem in dubiosen Machenschaften einer skrupellosen größeren Firma äußert, erinnert zudem, nicht zuletzt wegen der zugleich tough aber auch verletzlich auftretenden Protagonistin, an den sehr guten Film "Erin Brockovich".
Auch Abby setzt alles daran zunächst vage wirkende Indizien mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu einem Fall auszubauen. Wir begleiten die Protagonistin im ersten Teil des Buches dabei, wie sie das Puzzle um den Umweltskandal ihrer Heimatstadt immer mehr zusammen setzt. Danach und auch immer wieder zwischendurch durchziehen kleinere Episoden aus Abbys Vergangenheit ihre Rückkehr nach Barrens. Dabei geht es vor allem um ihre ehemals beste Freundin, aber auch schlimmste Mobberin, Kaycee Mitchell, die kurz vor Abby in einer spektakulären Nacht- und Nebelaktion ihrer Heimatstadt den Rücken kehrte und seitdem nie wieder gesehen wurde. Vor allem Kaycees Verschwinden, das nach einigen Nachforschungen seitens Abby immer mysteriöser zu werden scheint, lässt die Anwältin nicht los.
Anders, als ich es vorher erwartet hatte, wurde in "Bonfire" weniger auf die juristischen Aspekte eingegangen, sondern mehr auf die Vergangenheit der Protagonistin und auf ein Geheimnis, das nie richtig aufgeklärt wurde. Möglicherweise hätte es der Geschichte aber gut getan sich an einigen Stellen doch mehr der juristischen Seite zuzuwenden, denn zusammenfassend ist "Bonfire" zwar durchaus unterhaltsam, aber auch nichts wirklich Neues oder Bedeutungsvolles im unendlichen Himmel der Kriminalgeschichten geworden. 
Für eine leichte Lektüre zwischendurch, oder auch als obligatorisches Urlaubsbuch ohne viel Anspruch, kann ich die Geschichte aber durchaus empfehlen. 

Donnerstag, 9. August 2018

Melanie Raabe - Der Schatten




Verlag: btb
Seiten: 418
Erschienen: 23. Juli 2018
Preis: 16 Euro (Ebook: 12.99 Euro)







Norah ist gerade neu nach Wien gezogen. Nach der Trennung von ihrem Freund hat sie nichts mehr in Berlin gehalten und so entschloss sie sich in einer neuen Stadt ihr Glück zu versuchen. Doch nach der Ankunft in Wien und dem Antreten ihres neuen Jobs in einer Zeitschriften-Redaktion, überwiegen schnell Einsamkeit und Leere. 
Eines Tages wird Norah mitten in Wien von einer seltsamen Bettlerin eine mysteriöse Vorhersage gemacht: 
"Am 11. Februar wirst du am Prater einen Mann namens Arthur Grimm töten. Mit gutem Grund. Und aus freien Stücken".
Zunächst versucht Norah die Bettlerin als Spinnerin abzutun, doch schon bald wird ihr klar, dass die Vorhersage bloß der Anfang einer ganzen Reihe von seltsamen Geschehnissen ist, die plötzlich in ihr Leben treten. Und auch ein weiterer Mensch tritt in Norahs Leben. Ein Mann namens Arthur Grimm.

Mit ihrem lang erwarteten drittem Roman "Der Schatten" hat sich Melanie Raabe endgültig in die erste Liga des subtilen Thrillers geschrieben. 
Es ist schon beeindruckend bis fast beängstigend was für eine unglaublich ausgeprägte Intensität diese Geschichte besitzt. Genauso wie die beiden Vorgänger der Autorin "Die Falle" und "Die Wahrheit" versteht es auch Melanie Raabes neuer Thriller die subtile Spannung ganz langsam aber überaus beständig aufzubauen. Der Leser bemerkt fast nicht, wie er irgendwann vollkommen von der Geschichte eingeschlossen wird und es nicht mehr möglich ist das Buch beiseite zu legen, ohne zu wissen, wie es endet. Dieses besondere Talent ihren Leser so vollkommen einzuhüllen, hat die Autorin wahrlich zur Perfektion getrieben und somit auch zu einem ganz eigenen Schreibstil beigetragen, den ich mittlerweile wahrscheinlich unter vielen anderen wieder erkennen würde.
Um den Ganzen schlussendlich die literarische Krone aufzusetzen, lässt Raabe ihre Geschichte dieses Mal in einer Stadt spielen, dessen einzigartige Magie durch jede gelesene Seite schimmert. Wien zur Winterzeit scheint in "Der Schatten" ein melancholischer und fast schon mystischer Ort zu sein und treibt einen auch im intensivsten Hochsommer eine Gänsehaut auf den Körper.
Wer nach diesen großartigen Beschreibungen der Stadt Wien nicht das dringende Bedürfnis verspürt nach Beenden des Buches diese sofort selbst in Augenschein zu nehmen, dem kann man wirklich nicht mehr weiter helfen. 
"Der Schatten" nimmt uns mit auf eine mysteriöse Reise durch Wien und in unser Inneres. Denn Melanie Raabe stellt nicht nur die Wahrnehmung ihrer Protagonistin immer wieder auf die Probe, sondern auch wir, als Leser, hinterfragen uns immer wieder. 
Haben wir etwas übersehen und inwieweit können wir der Hauptfigur überhaupt vertrauen?
Mit "Der Schatten" ist Melanie Raabe ein großes Meisterstück gelungen. Ein Roman wie ein Sog, der einen gefangen nimmt und nicht mehr loslassen wird. 

Freitag, 20. Juli 2018

Meg Wolitzer- Das weibliche Prinzip



Verlag: Dumont
Seiten: 496
Erschienen: 16. Juli 2018
Preis: 24 Euro (Ebook: 18.99 Euro)






Die junge Greer ist eine ambitionierte Studentin, die sich in der Universität gewissenhaft auf ihr späteres Leben vorbereiten möchte. Regelmäßig telefoniert sie mit ihrem langjährigen Freund Cory, denn eine unglückliche Fügung wollte es, dass das Paar nach ihrem gemeinsamen Schulabschluss auf verschiedene Universitäten gehen mussten. Während Cory auf einer Eliteuniversität studiert, musste Greer sich mit einem staatlichen College zufrieden geben. 
Als Greer dann auf einer Veranstaltung ihrer Universität die Feministin Faith Frank kennen lernt, ändert sich ihr Leben schlagartig auf ganz verschiedenen Weisen...

Auf "Das weibliche Prinzip" von Meg Wolitzer habe ich mich schon sehr lange gefreut. Erst im letzten Jahr habe ich die beeindruckende Biografie der wohl berühmtesten Feministin der Welt Gloria Steinem "My life on the road" gelesen und war seitdem begierig darauf alles in die Hände zu bekommen, was dieses Thema behandelt. Gerade zu Zeiten der "me too" Bewegung ist es sehr wichtig so viele feministische Bücher zu veröffentlichen, wie es geht, da so dieses breit gefächerte Thema der Gleichberechtigung wegen nicht fehlender Aufmerksamkeit in den Medien und der Gesellschaft weiterhin behandelt wird und hoffentlich irgendwann Konsequenzen gezogen werden. 
"Das weibliche Prinzip" ist die Geschichte einer jungen Frau, die zunächst mit dem Feminismus wenig zu tun hat, bis eine wichtige Begegnung in ihrem Leben alles ändert. Faith Frank wird für die Protagonistin Greer zur Gallions- und Identifikationsfigur. Immer wieder setzt Greer Faith auf einen imaginären Thron, an dem niemand heran kommt und an dem schon gar nicht irgendjemand rütteln darf. Umso tiefer ist für die Hauptfigur dieser Geschichte dann der Fall, als sie erkennt, dass auch im Leben und in den Verhaltensweisen ihres großen Vorbildes nicht immer alles Gold ist, was glänzt. 
Besonders gut gefallen an "Das weibliche Prinzip" hat mir nicht nur der mehr als interessante Handlungsverlauf, sondern auch die Art und Weise des Erzählens. Im Vorfeld bin ich davon ausgegangen, dass allein schon wegen der Inhaltsbeschreibung und des Titels das gesamte Buch aus der Sicht der Protagonistin 'Greer' geschildert wird, doch da habe ich mich geirrt. Die verschiedenen Kapitel behandeln abwechselnd alle wesentlichen Figuren der Geschichte und erzählen den Handlungsverlauf jeweils aus einer anderen Sicht. Dies erlaubt einen viel intensiveren Blick in die Gefühlswelten der einzelnen Figuren und erklärt auch so manche fragwürdige Handlung der jeweiligen Personen, die zuvor aus der Sicht einer anderen Person geschildert wurde und die man möglicherweise, als Leser, nicht nachvollziehen konnte. 
Auch wenn ich mir an manchen Stellen noch viel mehr feministische Züge in die Geschichte hineingewünscht hätte, hat mir zusammenfassend betrachtet "Das weibliche Prinzip" wirklich gut gefallen und hatte alleine wegen der Lebensgeschichte der Hauptfigur ein persönliche großes Identifikationspotenzial auf meiner Seite. 
Für alle, die sich mehr starke, kluge und interessante weibliche Protagonistinnen in Geschichten wünschen, eine mehr als sehr gute Empfehlung. 

Mittwoch, 13. Juni 2018

Jean-Gabriel Causse - Arthur und die Farben des Lebens




Verlag: C.Bertelsmann
Seiten: 288
Erschienen: 10. April 2018
Preis: 20 Euro (Ebook: 15.99 Euro)









Von einem auf den anderen Tag beginnen plötzlich die Farben auf der Welt zu verschwinden. Alles ertrinkt in Eintönigkeit und Leere und sowohl Mensch als auch Tier scheinen von Tag zu Tag depressiver zu werden.
Arthur, ehemaliger Mitarbeiter einer französischen Buntstiftfabrik, geht der Ursache des plötzlichen Schwunds der Farben auf den Grund. Hilfe bekommt er dabei von seiner Nachbarin, einer blinden Wissenschaftlerin und ihrer bezaubernden kleinen Tochter.
Und dann, nach einem ewigen Schwarz und Grau, geschieht es. Eine Farbe kehrt auf die Erde zurück aber warum gerade diese? Und wo sind die anderen Farben?

"Arthur und die Farben der Welt" von Jean-Gabriel Causse hat mich vor allem wegen des ungewöhnlichen Ausgangsszenarios unheimlich fasziniert. Was geschieht mit den Menschen, wenn von einem auf den anderen Moment plötzlich alles schwarz, grau und weiß ist? 
Aus anfänglichem Unverständnis der Situation wächst relativ schnell eine ausgewachsene Depression aus den Menschen heraus denn in einer Welt zu leben, in der es keine Farben gibt, scheint für die meisten Menschen mit keinerlei Glück verbunden zu sein. In dieser ausweglosen Situation begegnen wir Arthur, ausgerechnet ehemaliger Mitarbeiter einer Buntstiftfabrik, die passenderweise an dem Tag, an dem die Farben verschwanden pleite gemacht und schließen musste. 
Der Protagonist Arthur steckt mitten in einer ausgewachsenen Midlife Krise, welche sich bei ihm vor allem im übermäßigen Alkoholkonsum bemerkbar macht. Aber ausgerechnet diesem ausgebrannten ehemaligen Lebemann ist es nach Monaten einer farblosen Welt gegönnt zum ersten Mal wieder einen winzigen Farbtupfer in diesem eintönigen Universum zu finden. Von diesem Moment setzt Arthur alles daran dem Rätsel der verschwundenen Farben auf die Spur zu kommen, nicht ahnend, dass der Ursprung des Geheimnis bei ihm selbst liegt.
"Arthur und die Farben der Welt" ist eine herzerwärmende, liebevolle und teils fast schon philosophische Geschichte geworden. Das Buch lebt vor allem von seinen liebevollen Figuren, die man am liebsten allesamt in echt gerne kennen würde und mit denen man jederzeit bereit ist sich ins nächste Abenteuer zu stürzen. Causse' Geschichte bietet dem gegenüber allerdings genauso viele üble Schurken, die sich dem hoffentlich glücklichem Ausgang dieses bezaubernden Buches immer wieder in den Weg stellen wollen. "Arthur und die Farben des Lebens" enthält viele Botschaften über das Leben, die vor allem besagen mehr auf seinen Gegenüber zu achten und im Leben die Kleinigkeiten zu sehen, die es erst lebenswert machen. 
Ich glaube, dass es schwer ist die Geschichte nicht zu mögen, weil sie zweifellos ein gutes Gefühl hinterlässt. Wer neugierig geworden ist, muss sich wohl auch in eine Welt ohne Farben fallen lassen. 
Keine Sorge, es lohnt sich! 

Montag, 28. Mai 2018

Matt Ruff - Lovecraft Country





Verlag. Hanser
Seiten: 433
Erschienen: 14. Mai 2018
Preis: 24 Euro 









An dieser Stelle beginne ich normalerweise immer mit dem Inhalt eines Buches, damit zumindest ein kurzer Überblick vermittelt wird, um was es in der Geschichte eigentlich geht. Es gibt allerdings Bücher, so habe ich in den letzten Tagen gelernt, da kann man dieses 'eigentlich' nicht beschreiben, egal, wie sehr man es versucht. 
Es gibt Bücher, die haben so viel, dass ein bloßer Grundriss ihres Inhalts nicht einmal ansatzweise dem nahe kommt, was man eigentlich vermitteln will, was man sagen möchte.Wenn man es simpel ausdrückt, möchte ich mit diesem Text wohl sagen, dass man "Lovecraft Country" von Matt Ruff unbedingt lesen muss.
Ohne Ausnahme oder Einschränkungen.
Für mich gehört dieses Buch zu den besten, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, auch wenn ich einen prägnanten Grund, der sofort einleuchtet, nicht benennen kann. "Lovecraft Country" wirft, obwohl es durchaus wichtige Botschaften vermittelt, trotzdem nicht mit philosophischen Weisheiten um sich. Es ist keine Geschichte, bei der man am liebsten auf jeder Seite mindestens ein Zitat hervorheben möchte, weil es so schön geschrieben ist. Es ist viel mehr ein intensiver und nicht erklärbarer Sog, der den Leser von der ersten Seite packt und während der gesamten Handlung nicht mehr loslässt. "Lovecraft Country" gehört zu diesen Geschichten, an die man denkt, auch wenn man sie nicht gerade liest und die einen breit lächeln lassen, entweder, weil man an eine vergangene gelesene Szene denkt oder weil man sich darauf freut schon bald weiter lesen zu dürfen. 
"Lovecraft Country" ist eines dieser Bücher, bei denen man den ein oder anderen Satz noch ein zweites Mal lesen muss, um ganz sicher zu gehen, dass man das auch gerade wirklich so gelesen hat. Und es gehört zu diesen Geschichten, bei denen man jedes einzelne Wort gierig aufsaugt aus purer Angst irgendetwas zu verpassen.
Doch was ist "Lovecraft Country" jetzt eigentlich genau?
Die Geschichte ist ein wilder Genremix aus Fantasy, Science-Fiction und den dunkelsten Zeiten amerikanischer Geschichte, die Rassentrennung in den fünfziger Jahren. Genreuntypisch spielen in Ruffs Roman schwarze Protagonisten die Helden und das machen sie mit einer solchen beeindruckenden Intensität und Genialität, dass man ihnen am liebsten ständig applaudieren möchte. "Lovecraft Country" lebt von seinen Figuren in jeder einzelnen Zeile und es lebt überdies von seinem verrückten Handlungsstrang, der uns von Grusel- und Spukhäusern ohne Umwege auf andere fremde Planeten befördert. Gleichzeitig besitzt dieses Buch eine erschreckende Aktualität, die die fünfziger Jahre als etwas erscheinen lassen, dass man gestern im Fernsehen gesehen oder in der Zeitung gelesen hat. 
Es ist schon beeindruckend ein Buch zu schreiben, das gleichzeitig belehrt, zum Nachdenken anregt, auch abseits der Lesezeiten und dabei noch so wahnsinnig gut unterhält. Matt Ruff hat dieses Kunststück vollbracht. 

Montag, 14. Mai 2018

/Filmrezension/ Eleanor & Colette






Regie: Billie August
FSK: 12 Jahre
Genre: Drama/Filmbiografie
Länge: 1 Stunde, 55 Minuten
Starttermin: 03. Mai 2018







Eleanor Riese macht nach einer ihrer zahlreichen Selbsteinweisungen in eine psychiatrische Klinik Nägel mit Köpfen und engagiert die zielstrebige Anwältin Colette. Eleanor ist sich ihrer Schizophrenie und ihrer Angstattacken durchaus bewusst, sie verweigert auch nicht die Medikamenteneinnahme, es geht ihr darum nicht zwangsweise mit Medikamenten vollgepumpt zu werden, sondern selbstständig, wozu sie durchaus in der Lage ist, über die Dosis bestimmen zu dürfen.
Vor Gericht geht es schnell nicht nur mehr um Eleanors Schicksal, sondern um das von 150 000 psychisch kranken Menschen in den Vereinigten Staaten, die regelmäßig gegen ihren Willen mit Medikamenten vollgepumpt werden, ungeachtet der Nebenwirkungen und Risiken einer solchen unkontrollierten Medikamentendosis. 
Wegen ihrer besonderen und einzigartigen Art nimmt Eleanor nicht nur ihre Anwältin für sich ein, sondern alle Menschen in ihrer Umgebung aber besonders zwischen diesen grundverschiedenen Frauen entsteht eine Freundschaft, die zeigt, dass alles möglich ist, wenn man nur fest genug darum kämpft.

Auch mehrere Tage nach meinem Kinobesuch von "Eleanor & Colette" fällt es mir immer noch schwer die Fülle der Emotionen zu erfassen, die mich überwältigt haben, nach dem der Abspann über die Kinoleinwand lief. 
Was für eine einzigartige, was für eine wunderschöne, besondere, tieftraurige, Mut machende, berührende und inspirierende Geschichte. 
Helena Bonham Carter, so scheint es, spielt mit Eleanor Riese die Rolle ihres Lebens. Fast in jeder Szene wollte ich ihr für ihre grandiose schauspielerische Leistung applaudieren.
Ich hätte im Vorfeld niemals damit gerechnet, dass mich dieser Film so berühren würde. Ich bin davon ausgegangen, dass der Handlungsverlauf, der auf wahren Begebenheiten beruht, größtenteils die Seite dieses äußerst bedeutenden und schwierigen Falls beleuchtet. Dem war allerdings nicht so. 
Natürlich wurden oft die Gespräche über die Strategie in diesem Fall zwischen Colette und ihrem Partner Mort gezeigt und auch einige Gerichtsszenen waren enthalten, doch schnell wurde deutlich, dass der Hauptfokus der Erzählung auf die besondere Freundschaft zwischen Eleanor und Colette, Eleanors Wesen und dem allmählichen Wandel in Colettes Privatleben gelegt wird, weil die zunächst introvertierte Colette im Laufe der filmischen Handlung immer mehr erkennt, was im Leben wirklich wichtig ist. Und das liegt natürlich größtenteils an ihrer neuen Freundin Eleanor, die permanent so viel Bedeutendes und Wichtiges von sich gibt, dass man eigentlich den ganzen Tag mit einem Block und Stift neben ihr hergehen müsste.
"Eleanor & Colette" erlaubt einen wichtigen Blick hinter die Fassade einer unglaublichen und inspirierenden Frau, der das Leben nicht nur in gesundheitlicher Hinsicht übel mitgespielt hat und die trotzdem unbeirrt ihren Weg geht und die niemals vergisst, was wichtig ist. Zudem scheint der Film, nach den unfassbaren Diskussionen um einen neuen Gesetzesentwurf in Bayern, in dem psychisch kranke Menschen wie Straftäter behandelt werden sollen, genau zum richtigen Zeitpunkt zu kommen. 
"Eleanor & Colette" wirft ein neues Licht auf einen der wichtigsten Gerichtsprozesse in der amerikanischen Geschichte, der für so viele Menschen eine enorme Bedeutung hatte. Außerdem zeigt dieser wunderschöne Film, dass Freundschaft alles möglich machen kann. Sie lässt mühsam aufgerichtete Mauern einbrechen und Lebensweisen komplett überdenken. Sie zeigt das Wahre, das Wunderschöne, das Zerbrechliche und die Stärke in Menschen. Und sie macht es möglich, dass du solche Filme am liebsten umarmen möchtest, weil sie dir in gerade einmal zwei Stunden so viel geben.
Dieses Seven-Up trinke ich auf dich, Eleanor!
Unbedingt anschauen!

Donnerstag, 26. April 2018

(Lisa schreibt) Ich bin keine scheiß Märchenprinzessin!

Disney Filme, vor allem, wenn es um Märchen geht, mögen wir alle. Vor allem Happy Ends, in denen die Märchenprinzessin am Ende ihren Prinzen bekommt und Friede, Freude, Eierkuchen herrscht.
Doch wer hätte gedacht, dass ausgerechnet einige Exemplare des männlichen Geschlechts in Märchenfilmen zwischen Realität und Fiktion nicht mehr unterscheiden können?

Ich bin Single und - entgegen der Überraschung vieler, vor allem männlicher Zeitgenossen- bin ich es gerne. Ich liebe es völlig frei über meine Zeit bestimmen zu können. Ich liebe es abends mit Freunden wegzugehen und zu flirten mit wem ich will. Und vor allem vergöttere ich diese freien Tage, in denen ich einfach in meinen Schlafklamotten im Bett liegen bleiben kann, um den ganzen Tag zu lesen. Ich befinde mich in einer Phase meines Lebens, in der ich mir vollkommen selbst genüge und das Einzige, was ich brauche ein volles Bücherregal ist- und vielleicht sechs Wochen Strandurlaub.

Trotzdem komme ich nicht umhin in vielen Gesprächen, die ich mit Männern führe in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen des Lebens, direkt oder indirekt heraus zu hören, dass ich unmöglich "gerne" partnerlos sein kann. Es wäre doch schön immer jemanden an seiner Seite zu haben und überhaupt würde ich das doch bestimmt nur sagen, weil ich in Wahrheit eben doch eine Beziehung will, einsam bin und aus meiner Einsamkeit gerettet werden möchte. Ich frage euch jetzt ganz ehrlich:
Tickt ihr noch ganz richtig?

Wie könnt ihr euch herausnehmen, dass ihr zu glauben wisst, wie meine tiefsten Sehnsüchte aussehen? Wieso könnt ihr nicht glauben, dass es Frauen gibt, die ihr Leben mit sich selbst vollkommen ausreichend finden und dabei - oh große Überraschung - glücklich sind? Wieso sind nach über zweihundert Jahren Emanzipation Frauen, die alleine leben, einsam und müssen gerettet werden, während Männer, die den gleichen Lebensstil pflegen als charismatische Junggesellen betitelt werden? 
Oh je, wer wirklich glaubt, dass wir in einer gleichberechtigten Gesellschaft leben läuft wahrscheinlich sein Leben lang mit Tomaten auf den Augen durch die Gegend.

Ich bin keine scheiß Märchenprinzessin!

Ich lebe in keinem meterhohen Turm, in dem mich meine böse Stiefmutter gespertt hat. Ich habe keinen gläsernen Schuh verloren und schon gar nicht wurde ich mit einem Apfel vergiftet und nur der Kuss meiner wahren Liebe kann mich wieder aufwecken.
Ich muss nicht gerettet werden!

Tut mir einen Gefallen und versucht dieses Bild der holden Jungfrau in Nöten aus euren Köpfen zu vertreiben, denn - entschuldigung, am Telefon, es ist für euch - das 21. Jahrhundert ist dran. 
Natürlich möchte ich mit diesen Artikel nicht alle männlichen Wesen über einen Kamm scheren, denn ich möchte sowieso in keiner Welt leben, in der jeder dieses Frauenbild inne hat. Genauso wenig kann ich sagen, ob ich in einem, in drei oder in fünf Jahren immer noch dieses Leben in der Art führen werde. Aber wenn doch, dann ist es meine Entscheidung. Denn es ist mein Leben, das ich leben kann, wie ich es möchte.

Und gerade fühlt es sich verdammt gut an.

Samstag, 21. April 2018

Lesemonat Januar

Hi. Ich heiße Lisa und habe auch im Januar Bücher gelesen. Deswegen heißt dieser Beitrag folgerichtig "Lesemonat Januar". Herzlich Willkommen. Ich freu mich, dass ihr hier seid. Macht euch gemütlich, nehmt ein Stück Kuchen, denn es wird lang. Im Januar habe ich insgesamt elf Bücher gelesen, ein Ebook war dabei und es waren 4726 Seiten. 
Ein Jahreshighlight war bereits in diesem jungen Jahr dabei. Das kommt, wie immer, am Ende des Beitrags. 
Dann kann es ja jetzt losgehen. 
Das erste Buch aus dem Lesemonat Januar kommt von Betty Smith. "Ein Baum wächst in Brooklyn" ist eigentlich ein Klassiker, wurde im Insel Verlag aber neu verlegt mit diesem wunderschönen Cover. Der Inhalt hat mich auch sofort angesprochen und ich war sehr gespannt, was mich erwarten würde. Bekommen habe ich schließlich eine sogleich melancholische aber zugleich wunderschöne Geschichte über ein junges Mädchen namens Francie, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Brooklyn aufwächst. Trotz der vielen Steine, die ihr immer wieder in den Weg gelegt werden, bleibt Francie dran und geht ihren Weg weiter. "Ein Baum wächst in Brooklyn" ist eine Geschichte, die zum Verweilen einlädt und eine, die man nicht so schnell vergessen wird. 
Das nächste Buch ist auch das einzige Ebook, das ich im Januar gelesen habe. Es kam von Ernest Cline. "Ready Player One" wurde bereits fürs Kino verfilmt und bevor ich mir den Film ansehen wollte, musste ich natürlich das Buch lesen. Und ich war wirklich sehr positiv überrascht. Cline hat mit seiner virtuellen Realität, die OASIS, eine unglaublich vielschichtige und großartige Science-Fiction Welt erschaffen, die wirklich Spaß gemacht hat. Genauso hat mir die permanente Hommage an die Popkultur der achtziger Jahre viel Freude bereitet, die jede Seite durchzogen hat. "Ready Player One" ist für jeden Science-Fiction Fan ein absolutes Muss. 
Weiter ging es im Januar mit dem neusten Werk von meinem japanischen Lieblingsautoren Haruki Murakami. Auf "Die Ermordung des Commendatore. Eine Idee erscheint" habe ich mich schon sehr lange gefreut. Die Geschichte um einen namenlosen Erzähler und Maler, der zunächst ziellos durch Japan reist und sich dann in dem abgelegenen Haus eines berühmten Künstlers niederlässt, um der Zivilisation zu entfliehen, hat mich dann auch unglaublich fasziniert. Obwohl Murakami eher ruhig erzählt, hat sich, während die Seiten nur so dahin flogen, eine große Intensität aufgebaut und ich wollte immer unbedingt wissen, wie es weiter geht. Das werde ich auch schon bald, da "Die Ermordung des Commendatore" der erste Teil einer Dilogie ist und ich schon sehr bald den zweiten Teil lesen werde. Zu diesem Buch gibt es auch eine Rezension von mir.
Das nächste Buch aus dem Lesemonat war der zweite Teil einer Reihe. "Lady Midnight", der erste Teil einer neuen Serie aus meinem Lieblingsschattenweltuniversum, hat mir unglaublich gut gefallen. Die ganzen Figuren habe ich sofort ins Herz geschlossen und natürlich auch für die Geschichte eine besondere Schwäche entwickelt. Leider muss ich sagen, dass der zweite Teil "Lord of Shadows" von Cassandra Clare nicht mithalten konnte. Ich hatte das Gefühl, dass die Handlung auch locker in die Hälfte der Seiten gepasst hätte und aus diesem Grund haben sich die Seiten sehr gezogen. Das Ende mit dem gewaltigen Cliffhangar hat mich dann aber doch wieder neugierig gemacht, so dass ich mir den dritten Teil auch holen werde.
Weiter ging es im Januar mit "Rattatatam, mein Herz. Vom Leben mit der Angst" von Franziska Seyboldt. Jeder sechste Deutsche erleidet im Laufe seines Lebens einmal eine Angststörung. Und doch ist dieses gesamte komplexe Thema immer noch ein großes Tabu in unserer Gesellschaft. In ihrem unglaublich mutigen und großartigen Buch nimmt die Autorin die Angst unter die Lupe. Es geht um ihre persönliche Erfahrungen, doch zugleich ist "Rattatatam, mein Herz" ein Mutmachbuch, das verändern will und das zumindest bei mir auch geschafft hat. Unglaublich wichtig und sehr lesenswert!
Im Januar gingen die Reihen weiter. Auch den zweiten Teil der Percy Jackson Reihe von Rick Riordan habe ich im Januar gelesen. "Im Bann des Zyklopen" hat mir genau wie der Auftakt unglaublich gut gefallen. Ich mochte den Humor und den actionreichen Handlungsstrang. Im zweiten Teil der Reihe macht sich Percy auf den Weg, um seinen besten Freund Grover aus der Gewalt eines Zyklopen zu befreien. Auch im Camp Half Blood geht es mal wieder drunter und drüber. Begleitet wird Percy bei seiner gefährlichen Reise von einem ganz besonderen Freund, der noch einen wichtigen Stellenwert in Percys Leben einnehmen wird. 
Apropo Reihe. Auch mit einer anderen ganz besonderen Reihe, von der ich schon eine ganze Menge im Vorfeld gehört habe, habe ich im Januar angefangen. Ich war sehr gespannt auf "Ich fürchte mich nicht" von Tahereh Mafi und das zu Recht. Der Autorin ist eine sehr gute Dystopie gelungen, die aber vor allem durch ihren besonderen Schreibstil sich von den anderen abhebt. Dystopien kann man schon fast nicht mehr neu erfinden, aber trotzdem ist "Ich fürchte mich nicht" zu einem ganz besonderen Reihenauftakt geworden, der Lust auf die kommenden Teile macht. 
Das nächste Buch aus dem Januar war eines dieser Bücher, das schon ewig auf meiner Wunschliste stand. "Im Herzen der Gewalt" von Edouard Louis schien eine ganz besonders intensive Geschichte zu sein. Das war sie auch. Zweifellos. Da es allerdings mein erstes Buch von dem Autoren war, musste ich mich dann auch erst einmal mit dem ganz besonderen Schreibstil von diesem anfreunden. Leider habe ich relativ schnell gemerkt, dass es mir dadurch nicht gelungen ist in die Geschichte hinein zu finden und mit ihr warm zu werden. Da "Im Herzen der Gewalt" dazu auch noch relativ wenige Seiten hatte, plätscherte die Geschichte an mir vorbei und konnte sich leider nicht bei mir festsetzen. 
Mein erstes Buch von Ray Bradbury war nicht das allseits bekannte "Fahrenheit 451", sondern "S is for Space", eine Science Fiction Kurzgeschichtensammlung, die teilweise wirklich irre Themen hatte. Natürlich waren einige Geschichten, so wie das bei Kurzgeschichten üblich ist, nicht unbedingt mein Ding aber genauso viele haben mich zugleich gut unterhalten. Wer auf klassische Science-Fiction steht, ist bei Ray Bradbury auf jeden Fall gut aufgehoben. 
Zum Schluss des Lesemonats kommt wie immer mein Highlight. "Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken" ist sogar schon ein Jahreshighlight geworden und das zu dieser frühen Zeit im Jahr. Aber für mich persönlich hat sich John Green in diesem Roman noch einmal übertroffen. Möglicherweise liegt es auch an der ganz persönlichen Komponente, die das Thema Zwangserkrankungen für mich inne hat, aber Green hat es geschafft dieses schwierige Thema sowohl sensibel, mit Humor und gleichzeitig mit einer Wichtigkeit zu nehmen, die beeindruckend war. Ein ganzes Buch, das beeindruckt und Mut macht und so verdammt wichtig ist. 

Das war er auch schon wieder. Mein sehr langer Lesemonat Januar. 
Ich wünsch euch einen schönen Abend. 

Lisa. 

Montag, 16. April 2018

/Filmrezension/ Ready Player One





Regisseur: Steven Spielberg

FSK: 12 Jahre 
Genre: Science-Fiction, Action
Länge: 2 Stunden, 19 Minuten
Starttermin: 05. April 2018








Wade Watts lebt in einer Art überdimensionaler Wohnwagensiedlung am Rande von Oklahoma City im Jahr 2045. Nach zahlreichen Wirtschafts- und Naturkatastrophen ist das Leben in der Realität ein einziger Kampf geworden. Aus diesem Grund verbringen die Menschen den Großteil ihrer Freizeit in einer virtuellen Realität, namens OASIS, in der die einzige Grenze die menschliche Fantasie darstellt. In der OASIS ist alles möglich und jeder darf der sein, der er will.
Als vor einigen Jahren der Gründer der OASIS, James Hallaway, starb, gab er ein unglaubliches Geheimnis preis. Irgendwo in seinem gewaltigen Universum der virtuellen Realität, versteckte er ein sogenanntes Easter Egg. Nach drei erfolgreich gelösten Rätseln soll der erste Finder des Easter Egg Hallaways Erbe werden und die Führung des gesamten OASIS Universums übernehmen. Lange Zeit tat sich im Wettbewerb überhaupt nichts, bis Wade, ein fanatischer Hallaway Verehrer, das erste Rätsel knackt und plötzlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht...

Normalerweise gehe ich als große Skeptikerin ins Kino, wenn es heißt, dass eine literarische Science-Fiction Vorlage verfilmt werden soll, vor allem, wenn ich das Buch erst vor kurzem gelesen habe. Science-Fiction Welten sind vielschichtiger als normale Welten und so können die eigene Vorstellungskraft und die filmische Realität noch intensiver kollidieren, als sie es ohnehin bei filmischen Literaturadaptionen regelmäßig tun. 
Doch Steven Spielberg ist mit der Verfilmung von Ernest Clines Roman "Ready Player One" etwas Erstaunliches gelungen. Er hat die OASIS lebendig gemacht. Er hat es geschafft die virtuelle Realität für den Kino-Zuschauer zugänglich zu machen. Zugleich ist es ihm gelungen einen guten Kompromiss bei der Frage zu finden, wie die Handlung im Buch auf die Filmleinwand gebracht werden sollte, was wohl vor allem daran lag, dass der Autor des Romans selbst am Drehbuch mit geschrieben hat. Und zum Schluss hat er das vollbracht, was "Ready Player One" zum großen Teil ausgemacht hat. Spielberg hat die Hommage an die Filme, Serien, Musik und Videospiele, also an die Popkultur der achtziger Jahre, die jede Seite von Clines Roman durchzieht, so charmant und fast schon perfekt in die filmische Version umgesetzt, dass ich mich mehr als einmal dabei erwischt habe, wie ich grinsend die Handlung des Films verfolgt habe. Wer sich also einigermaßen in den Achtzigern auskennt, wird bei "Ready Player One" voll auf seine Kosten kommen. Wer eine besondere Schwäche für dieses Jahrzehnt hat, der wird diesen Film lieben. 
Auch die Besetzung, die zum Großteil eher unbekannt war, war hervorragend gewählt. Gerade die Hauptfigur, verkörpert durch den Schauspieler Tye Sheridan, spielte den Charakter Wade Watts detailgetreu und authentisch. Aber auch die Nebenfiguren haben ihre Sache sehr gut gemacht. 
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Verfilmung von "Ready Player One" etwas geschafft hat, was nur sehr wenige Literaturverfilmungen vor ihr geschafft haben: Sie ist ihrer Vorlage gerecht geworden. Spielberg hat keinesfalls versucht Clines Roman bloß stumpf nachzuerzählen. Er hat Handlungselemente übernommen, allerdings auch da verändert, wo es nötig gewesen war. Das führte übrigens auch zu meiner absoluten Lieblingsszene, die sich größtenteils in einem sehr berühmten Hotel abgespielt hat. Was es mit dieser Szene auf sich hat, müsst ihr schon selbst herausfinden.
Auf ins Kino! 

Sonntag, 15. April 2018

Laetitia Colombani - Der Zopf






Verlag: S.Fischer 
Erschienen: 21. März 2018
Seiten: 288
Preis: 20 Euro (Ebook: 16.99 Euro)







Smita lebt mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter in einem kleinen indischen Dorf. Sie träumt von einem anderen Leben für ihre Tochter und kämpft wie verbissen darum, diesen Traum zu verwirklichen.
Sarah lebt in Kanada und ist eine erfolgreiche Alleskönnerin. Sie ist sowohl leidenschaftliche Anwältin, als auch Mutter und meistert ihr Leben mit einem Perfektionismus, der beeindruckend ist. Bis zu dem Tag, der alles verändert.
Guilia arbeitet in der Fabrik ihres Vaters in Sizilien, die seit mehreren Generationen aus sizilianischen Haaren Perücken anfertigt. Guilia liebt ihr Leben genauso wie es ist und möchte, dass es immer so bleibt, bis die Familie plötzlich ein Schicksalsschlag ereilt. 

Drei unterschiedliche Frauen.
Drei Leben.
Drei Welten. 
Drei Kontinente.
Zunächst scheinen Laetitia Colombanis Protagonistinnen in "Der Zopf" nichts gemeinsam zu haben. In ihren unterschiedlichen Welten scheinen gemeinsame Anknüpfungspunkte fast unmöglich zu sein. Doch Colombani ist mit ihrem Debütroman wahrhaftig ein kleines Kunststück gelungen. Zuerst noch lose, verknüpft sie immer mehr die einzelnen Handlungsstränge dieser drei besonderen Frauen miteinander, so dass sich plötzlich doch gemeinsame Berührungspunkte ergeben und natürlich wird an dieser Stelle auch deutlich, woher die Geschichte ihren Namen bekommen hat. Das Verknüpfen wirkt in der Hinsicht, dass die Autorin einen erzählerischen Zopf flechtet, der immer dichter wird.
Doch neben dieser besonderen Erzählweise stehen natürlich ihre Figuren. Alle drei Frauen meistern ihr Leben auf ganz unterschiedliche Weisen und haben plötzlich mit besonderen Vorkommnissen zu tun, die ihr bisheriges Leben komplett auf den Kopf stellen. Man bewundert Colombanis Protagonistinnen, weil sie unfassbar stark sind und sich niemals von ihren Zielen abbringen lassen. Durch die starken Persönlichkeiten der Figuren, erkennt man schnell die eigentliche Intention dieses Buches, die ebenso wunderbar ist, wie die Geschichte: Wir Frauen können alles, was wir uns vornehmen, auch erreichen und weder gesellschaftliche, noch persönliche Grenzen werden uns aufhalten können. Und wir sind sogar noch stärker, wenn wir uns zusammentun und die Kraft der Gemeinschaft erkennen. Auch wenn wir es nicht sehen, das Band, das wir knüpfen, wird niemals zerreißen. 
Colombanis Figuren leben die Botschaft ihrer Geschichte auf jeder einzelnen Seite. Obwohl "Der Zopf" in Relation wenige Seiten hat, wird hier trotzdem eine gewaltige, eine großartige und vor allem eine wichtige Geschichte erzählt. Und auch das, was zwischen den Zeilen steht, ist so wichtig, wenn nicht sogar am wichtigsten: In "Der Zopf" geht es um Frauen, die in vielen Teilen der Welt immer noch keinerlei Recht besitzen über ihr eigenes Leben zu bestimmen. Es geht um Ausgrenzung in gesellschaftlichen und persönlichen Bereichen von Frauen, die als selbstverständlich angesehen werden und auch in der Realität in dieser Form immer und immer wieder statt finden. Es geht um das Brechen mit Traditionen für ein höheres Ziel. 
Colombani legt ihren Protagonistinnen immer wieder Steine in den Weg, weil die Welt da draußen eben so ist. Auch wenn wir uns das immer wieder einreden, leben wir in keiner gleichberechtigten Gesellschaft und genau diesen Punkt hält die Autorin in ihrem Roman der Welt vor. Doch so, wie sie ihren Figuren Steine in den Weg legt, stemmen diese die Steine immer wieder weg und gehen konsequent ihren Weg weiter. 
"Der Zopf" ist ein unglaublich beeindruckendes und besonderes Buch geworden. Eine Geschichte, die aufrüttelt und hoffentlich auch verändert. Und eine Geschichte, die zeigt, dass man alles schaffen kann, wenn man nie den Glauben an die eigene Persönlichkeit und Stärke verliert. 

Donnerstag, 12. April 2018

Assaf Gavron - Achtzehn Hiebe




Verlag: Luchterhand
Seiten: 417
Erschienen: 26. Februar 2018
Preis: 22 Euro (Ebook: 17.99 Euro)





Eitan Einoch, Mitte Vierzig, ist Taxifahrer in Tel Aviv. Jeden Tag erzählt Eitan seinen Fahrgästen bestimmte Anekdoten aus seiner Heimatstadt, wenn er sie zu ihrem Ziel bringt. Es gibt aber auch Tage, da wird Eitans eigene Geschichte ans Tageslicht befördert, meistens, wenn er von seinen Fahrgästen erkannt wird, als derjenige, der in einer Woche drei Terroranschläge überlebt hat. 
Doch alles ändert sich an dem Tag, an dem eine rüstige Seniorin, namens Lotta Pearl in Eitans Taxi steigt und die ungewöhnliche Bitte hervorbringt ab jetzt jeden Tag die Fahrt zum Friedhof mit Eitan machen zu wollen. 
Auf diese Weise erfährt Eitan von einer fast siebzig Jahre zurückliegenden Liebesgeschichte zwischen einem britischen Soldaten und Lotta, dessen Grab sie regelmäßig besuchen will. Zunächst geht Eitan von einer Liebe aus, die über dem Tod hinaus Bestand hat, bis zu dem Tag, an dem Lotta Eitan von ihrem Verdacht erzählt, dass ihre große Liebe möglicherweise einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist und den Taxifahrer beauftragt den Mörder zu finden...

"Achtzehn Hiebe" von Assaf Gavron gehört zu diesen Geschichten, von denen man durch Zufall hört und die man aber umso intensiver lesen möchte. Als ich die Inhaltsbeschreibung des Buches vor mir liegen hatte, war mir klar, dass ich um diese Geschichte nicht herumkommen werde und nach der Lektüre hat es sich sehr gelohnt.
Assaf Gavrons Geschichte ist besonders durch und durch. Es ist eine Hommage an die Heimatstadt des Autoren, Tel Aviv, die vor allem durch seine Hauptfigur verkörpert wird. Der Taxifahrer Eitan kennt zu jeder noch so kleinen Begebenheit in Tel Aviv mindestens eine Geschichte oder Anekdote. Die besondere Beziehung zu seiner Heimatstadt schimmert durch jede Zeile hindurch und es bereitet wirklich Freude Eitan bei seinen zahlreichen Fahrten durch Tel Aviv zu begleiten. Die eigentliche Handlung kommt dabei an keiner Seite zu kurz. "Achtzehn Hiebe" lebt vor allem von der Liebesgeschichte zwischen einem britischen Soldaten und des jüdischen Mädchens aus längst vergangenen Zeiten, die nach und nach ein immer deutlicheres Bild ergibt, aber vor allem auch durch die besonderen Charaktere, die in der Geschichte auftreten. Da wäre einmal der bereits erwähnte Eitan, ein geschiedener und liebender Vater, der plötzlich mit Mitte Vierzig wieder sich selbst finden muss und dann natürlich Lotta, die bereits zum Anfang mit einem eigenen und wunderschönen Zitat die Handlung im Buch eröffnet. Lotta bewohnt ein Zimmer im Seniorenheim und tritt mit der ungewöhnlichen Bitte an Eitan heran, dass er sie jeden Tag mit dem Taxi zum relativ weit entfernten Friedhof bringen soll, damit Lotta einen lange verflossenen Liebhaber, der vor kurzem gestorben ist, besuchen kann. 
Aus diesem Ausgangsszenario entwickelt sich eine ungewöhnliche und gut konstruierte Handlung, die irgendwo zwischen Detektivroman, der Geschichte Israels und Liebesgeschichte anzusiedeln ist. Gut konstruiert ist die Handlung aus diesem Grund, weil ich nie wusste, wen von den handelnden Personen wirklich zu trauen ist. Sogar Lotta, die man zu Beginn eigentlich nur ins Herz schließen konnte, tauchte mehr als einmal auf meiner Liste der Verdächtigen auf.
Mit "Achtzehn Hiebe" ist dem Autoren Assaf Gavron eine sehr unterhaltsame Geschichte gelungen. Er nimmt uns mit auf eine Tagestour durch seine Heimatstadt, erzählt von Liebe, Schuld, Verrat und Verbrechen und erschafft sympathische und liebenswürdige Figuren und schafft es dabei nie ins Dramatische oder Kitschige abzurutschen. 
Ein gelungenes Buch.